Logistik

Hamburgs Hafen braucht einen neuen Plan

Wie heftig wurde gerungen um die neunte Elbvertiefung, mit der die Stadt Hamburg, die Hafenwirtschaft und auch die Bundesregierung das Ziel verfolgten, die Wettbewerbsfähigkeit des größten und umsatzstärksten deutschen Seehafens zu steigern. Um für...

Hamburgs Hafen braucht einen neuen Plan

Von Carsten Steevens, Hamburg

Wie heftig wurde gerungen um die neunte Elbvertiefung, mit der die Stadt Hamburg, die Hafenwirtschaft und auch die Bundesregierung das Ziel verfolgten, die Wettbewerbsfähigkeit des größten und umsatzstärksten deutschen Seehafens zu steigern. Um für dieses gut 700 Mill. Euro teure Infrastrukturprojekt Baurecht zu erhalten, dauerte es vom Start des Planfeststellungsverfahrens 2006 rund ein Dutzend Jahre. Nach 21 Monaten Bau- und Baggerarbeiten folgte Anfang Mai – bis auf Restarbeiten – die Freigabe der erweiterten Fahrrinne zwischen Hamburg und der Nordsee für Schiffe mit größerem Tiefgang. Als erstes Containerschiff der Megamax-Klasse nutzte die CMA CGM Jacques Saadé, – 400 Meter lang und 61 Meter breit – die nun möglichen 90 Zentimeter mehr Tiefgang.

Solche „Mega-Boxer“, die auf Stellplatzkapazitäten von deutlich mehr als 20000 Standardcontainer (TEU) kommen, können Hamburg zwar nach wie vor nicht voll beladen anlaufen, aber 1000 Container mehr als bisher in den Hafen bringen. Bei der Hamburg Port Authority freut man sich, dass künftig aufgrund der höheren tideunabhängigen Tiefgänge wesentlich mehr Freiräume in der Verkehrsablaufplanung bestehen und sich durch eine fertiggestellte, 8 Kilometer lange Box auch größere Schiffe mit einer addierten Breite von bis zu 104 Metern im Gegenverkehr sicher begegnen können. Nach der endgültigen Freigabe im Verlauf der zweiten Jahreshälfte sollen die Tiefgangsverbesserungen voll ausgeschöpft werden können.

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) sprach anlässlich der Freigabe von einem guten Tag für den Hamburger Hafen, der seine Marktpotenziale endlich wieder voll ausschöpfen könne, für die Reeder und für die deutsche Wirtschaft, weil nun ein leistungsfähiger Zugang zu den Weltmärkten nachhaltig gesichert sei. Doch frei von Sorgen sind Hafenwirtschaft und Politik der Hansestadt damit nicht. Wurde die Entwicklung des Hafens lange vor allem durch den juristischen Streit über die weitere Vertiefung gestört, stehen inzwischen andere Probleme im Vordergrund. Die haben damit zu tun, dass das Wachstum gemessen am Containerumschlag seit der Finanzkrise im Jahr 2007 mehr oder weniger stagniert – damals ging mit dem Hafenlogistikkonzern HHLA der Betreiber von drei der vier Hamburger Containerterminals an die Börse. Der Hafen ist mit sich ändernden Handelsströmen konfrontiert und mit großen Nordseehäfen, die in den vergangenen Jahren kräftig ausgebaut wurden und die bei der Produktivität aufgeholt haben oder Hamburg inzwischen den Rang ablaufen.

Auch die größten Konkurrenz­häfen der sogenannten Nordrange haben die Folgen der Corona-Pan­demie zu spüren bekommen, doch verlor Hamburg im vergangenen Jahr verglichen mit Rotterdam und Antwerpen weiter an Boden. Während der Containerumschlag in Hamburg­ um 7,9% auf 8,5 Mill. TEU sank, schrumpfte die Menge in Rotterdam um 3,2% auf 14,3 Mill. TEU, während Antwerpen um 1,3% auf 12 Mill. TEU sogar zulegen konnte. Im weltweiten Vergleich, den Schanghai mit 43,5 Mill. TEU (+0,5%) anführt, rutschte der Hamburger Hafen um einen Rang auf Platz 18 ab.

Die Marktanteilsverluste in der Nordrange haben sich im ersten Quartal 2021 fortgesetzt, auch wenn in Hamburg mit 2,2 Millionen Stahlboxen 1,8% mehr als vor Jahresfrist über die Kaikanten gingen. Rotterdam (3,7 Mill. TEU) und Antwerpen (3,1 Mill. TEU) verbuchten von Januar bis März Zuwachsraten von 4,5 bzw. 2,3%.

Kritisiert werden die hohen Preise des Hamburger Hafens, bei den Kosten agiert die nordeuropäische Konkurrenz kundenfreundlicher. Bei einem Automatisierungsgrad von 40% bei einigen Terminals in Europa könne man schon ein bisschen neidisch werden, so Wirtschaftssenator Westhagemann in einem Zeitungsgespräch. Die Terminalbetreiber HHLA, mehrheitlich im Eigentum der Stadt Hamburg, und Eurogate haben reagiert und Sparprogramme initiiert. Die Unternehmen, die sich nach der Konsolidierungswelle in der Containerschifffahrt zwischen 2014 und 2018 und dem Zusammenschluss der größten Reedereien zu drei globalen Allianzen einer großen Verhandlungsmacht dieser Kunden gegenübersehen, sondieren zudem eine Bündelung ihrer Containeraktivitäten in den deutschen Seehäfen.In die vor einem Jahr bekannt gemachten Gespräche, die bislang ohne sichtbares Ergebnis geblieben sind, könnte neue Bewegung kommen: Der wichtigste Ladungsbringer des Hamburger Hafens, Hapag-Lloyd, erwägt laut einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“, einen Liniendienst vom HHLA-Terminal Altenwerder in Hamburg, an dem die Reederei mit 25% beteiligt ist, dessen Zugang für die neuen Großschiffe aufgrund der zu niedrigen Köhlbrandbrücke aber nicht möglich ist, in den nicht ausgelasteten Tiefwasserhafen Wilhelmshaven zu verlagern.

Vor diesem Hintergrund, aber auch in Anbetracht von Klimawandel und Digitalisierung braucht der Hafen einen neuen Entwicklungsplan. Dringlichkeit ist geboten. Bis zum Jahresende wird dieser Plan möglicherweise vorliegen.