Notiert inChicago

Harte Rivalität um grässliche Pizzen

Chicago ist stolz auf seine lokale Pizza-Spezialität, in New York ist sie dagegen als mastiges Ungetüm verschrien. Konflikte um das italienische Gebäck sagen dabei viel über die Verhältnisse der US-Metropolen untereinander aus.

Harte Rivalität um grässliche Pizzen

Notiert in Chicago

Das Grauen in Quiche-Form

Von Alex Wehnert

Vom Pizzabacken verstehen Amerikaner in der Regel so viel wie der Hahn vom Eierlegen – dennoch sind sie eigenartig stolz auf die schwer verdaulichen Erzeugnisse ihrer Öfen. Zwischen New York und Chicago herrscht etwa seit Jahrzehnten eine Rivalität darum, wessen lokale Spezialform die überlegene ist. Doch dreht sich Raffaele Esposito, der neapolitanische Vater der modernen Pizza, wohl schon im Grabe um, wenn die Bäcker der Ostküstenmetropole ihre labbrigen, vor Fett triefenden „slices“ anpreisen. Endgültig ins Rotieren kommen dürfte Esposito hingegen bei Lobliedern auf die Chicago-style Pizza.

Fragwürdige Konsistenz

Hier präsentiert sich das Grauen in Quiche-Form: Der Bäcker kleidet bei der Herstellung des auch als Deep Dish Pizza bekannten Gerichts ein Blech mit fünf Zentimeter hohem Rand mit Teig und Käse aus, die dann gewissermaßen als Schüssel für eine wilde Mischung an in süßlicher Tomatensauce herumwabernden, mit Parmesan überzogenen Zutaten fungiert. Schon wer sich ein solches Ungetüm mit einer anderen Person teilt, hat danach den Eindruck, sich nur noch nach Hause rollen zu können. Da kommt es zupass, dass Chicago für seine vom Lake Michigan hereinziehenden Winde bekannt ist – so verfügen die stadtauswärts wohnenden Restaurantgäste beim Wegkugeln immerhin stets über Antrieb.

Doch die Chicagoer sind trotz oder gerade wegen der mastigen und fragwürdigen Konsistenz stolz auf ihre Pizza – und reagieren aufgebracht auf Kritik. Der New Yorker Comedian Jon Stewart löste 2013 im Mittleren Westen einen Sturm der Entrüstung aus, als er die Deep Dish Pizza in seiner „Daily Show“ wahlweise als „Auflauf“ oder „Marinara-Swimmingpool“ bezeichnete, der im Widerspruch zu den Gesetzen Gottes und der Menschheit stehe. Anlass von Stewarts Tirade war ein Streit darum, ob der Chicagoer Willis Tower oder das damals neu gebaute One World Trade Center höher seien.

Negatives Image

Wenngleich weder der Turmkonflikt noch die Pizza-Kontroverse bierernst zu nehmen sind, sagen sie doch etwas über die Wahrnehmung New Yorks in anderen Teilen der USA aus. Insbesondere Manhattan genießt dabei den Ruf als Zentrum einer überheblichen Elite, die selbst auf andere Metropolen herabblickt – und auf ruralere Gegenden ohnehin. Umso diebischer freuen sich Vertreter anderer Regionen, wenn sie New York eins auswischen können.

So versucht sich Dallas nun daran, der Wall Street den Rang abzulaufen. Schon ab dem kommenden Jahr will die in der texanischen Großstadt entstehende elektronische Börse TXSE um Trading-Volumina konkurrieren und ab 2026 Primär- und doppelte Listings von Aktien sowie ETFs anziehen. In Sachen Pizza will Dallas ebenfalls wettbewerbsfähig werden – mit einem Gebäck, das dem neapolitanischen Original nahekommen, aber eine mit Butter gefüllte Kruste aufweisen soll. Die landesweite Bekanntheit ist dem texanischen Erzeugnis im Gegensatz zu den Varianten aus New York und Chicago bislang allerdings verwehrt geblieben.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.