Washington

Harte Zeiten für rebellische Fluggäste

Seit Jahresbeginn ist es in US-Flugzeugen im Streit über Maskenpflicht und Impfungen zu Tausenden, oft gewaltsamen Zwischenfällen gekommen. Nun will das Justizministerium hart durchgreifen.

Harte Zeiten für rebellische Fluggäste

In den USA haben nach offiziellen Angaben mehr als 40% der Bürger maximal eine Impfspritze gegen das Coronavirus erhalten und somit keinen oder nur geringen Impfschutz, und die politische Spaltung, die darin zum Ausdruck kommt, treibt skurrile Blüten. Nirgendwo ist das so klar ersichtlich wie im zivilen Flugverkehr, wo die Serie von oft gewaltsamen Auseinandersetzungen einfach nicht abreißt. Manchmal beschimpfen geimpfte Passagiere jene, die sich der vorgeschriebenen Maskenpflicht widersetzen, als „idiotische Trump-Wähler“. Ebenso scharf kontern manche Corona-Leugner, die maskierte Fluggäste als „Sozialisten“ oder „Deep-State-Anhänger“ geißeln.

Umso größer war die Nervosität vor den jüngsten Thanksgiving-Festtagen, an denen mehr Amerikaner in Linienmaschinen stiegen als zu jedem anderen Zeitpunkt seit Ausbruch der Pandemie. Nach Angaben der für die Flugsicherheit zuständigen Behörde Transportation Security Administration (TSA) durchleuchteten deren Nacktscanner allein am Sonntag fast 2,5 Millionen Passagiere.

Dass die Flugreisen größtenteils friedlich verliefen, mag daran gelegen haben, dass das Justizministerium eine rabiatere Vorgehensweise gegen aufsässige Passagiere verkündet hatte. Schließlich waren seit Jahresbeginn bei der Luftfahrtbehörde FAA mehr als 5300 Beschwerden über aggressives Verhalten und nicht selten physische Auseinandersetzungen eingegangen. Etwa drei Viertel davon bezogen sich auf die Maskenpflicht an Flughäfen und an Bord von Linienmaschinen.

US-Justizminister Merrick Garland wollte vor den Festtagen, an denen sich Millionen von Familien im großen Kreise versammeln, um eine ausgiebige Mahlzeit mit Truthahn, Süßkartoffeln und Kürbistorte zu genießen, keine Risiken eingehen. Er wies Staatsanwälte in 52 Bundesbezirken an, den Ermittlungen gegen aufständische Fluggäste „höchste Priorität“ einzuräumen. Passagiere, die Flugpersonal oder andere Gäste „angreifen, sie einschüchtern oder mit Gewalt drohen, bringen jeden, der an Bord ist, in Gefahr“, begründete Garland seine Entscheidung.

Dass der Minister und seine Staatsanwälte nicht zimperlich sind, beweist der Fall einer Frau aus Texas, die sich wegen eines Zwischenfalls auf einem Flug von Alaska nach San Francisco kürzlich vor Gericht verantworten musste. Sie hatte eine Flugbegleiterin angegriffen, weil diese den Mann der Angeklagten, dessen Maske vom Gesicht rutschte, nachdem er eingeschlafen war, zu wecken wagte. Im Falle einer Verurteilung drohen der Frau bis zu 20 Jahre hinter Gittern.

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Zwar warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor den Gefahren der Omikron-Variante des Coronavirus. Gleichwohl vermuten einige republikanische Kongressabgeordnete, dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden die jüngsten Entwicklungen allein aus politischen Gründen zu dramatisieren versucht.

Kein Geringerer als Ronny Jackson, der Leibarzt der ehemaligen Präsidenten Barack Obama und Donald Trump und seit Januar ein Abgeordneter aus Texas, verspottete kürzlich Omikron als die „Zwischenwahl-Variante“. Jacksons Theorie: Um von ihren schwachen Umfragewerten abzulenken, würden die Demokraten mit Blick auf die Kongresswahlen, die nächsten November stattfinden werden, einen Vorwand suchen, um wieder Briefwahlen zu rechtfertigen und Stimmen zu manipulieren. „Die Demokraten werden alles Notwendige tun, um zu schummeln, aber wir werde es nicht zulassen“, twitterte er.

Regierungssprecherin Jen Psaki ging mit dem Arzt, der seinen Job im Weißen Haus verlor, weil er angeblich im Dienst Alkohol getrunken und Mitarbeiter gedemütigt hatte, scharf ins Gericht. „Wir wären gut beraten, nicht auf Verschwörungstheorien zu antworten, die Menschenleben riskieren“, sagte Präsident Joe Bidens Sprecherin. Andere Demokraten erinnern daran, dass Jackson ohnehin ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit habe. Schließlich hatte er Trump als den „gesündesten Präsidenten in der Geschichte“ bezeichnet. Auch hatte er behauptet, Trumps körperliche Verfassung sei so einzigartig, dass er 200 Jahre alt werden könnte.