Hehres Ziel, falscher Weg
Der Düngemittel- und Salzproduzent K+S hat die Absicht, Teile seines Vermögens zu Geld zu machen, um die Verschuldung zu reduzieren. Wie das Unternehmen jüngst bekannt gab, werden für das Salzgeschäft in Nord- und Südamerika sämtliche Optionen erwogen. Favorisiert werden der Verkauf einer Minderheitsbeteiligung oder die Platzierung eines Anteils an der Börse. Noch überraschender ist, dass das Management den Verkauf einer Beteiligung am neuen Kaliwerk Bethune in Kanada bzw. eine Kooperation prüft. Bethune war von K+S stets als das große Zukunftsprojekt gepriesen worden.Begründet wird die mögliche Trennung von Teilen der wertvollsten Assets mit dem im Oktober 2017 ausgegebenen Ziel, den Verschuldungsgrad – den K+S als Verhältnis der Nettofinanzverbindlichkeiten zum Ebitda definiert – vom Stand per Ende Juni 2017 bei 5,6 bis Ende 2020 zu halbieren. Zum 30. September war der Verschuldungsgrad erst auf 4,3 gesenkt worden; mehr als die halbe Wegstrecke muss also noch bewältigt werden, während 70 % der Zeit, die sich K+S dafür gegeben hat, verstrichen sind.Was dem Management aber noch mehr Sorgen macht als die verbliebene kurze Zeit zur Erreichung des Schuldenziels, sind die “aktuell schwierigen externen Rahmenbedingungen”. So steht der Markt für Kaliumchlorid – ein Salz, das zur Herstellung von Kalidünger genutzt wird – wegen eines Überangebots seit langem unter Druck. Inzwischen haben alle großen Anbieter, auch K+S, ihre Produktion zurückgefahren. Ob nun tatsächlich ein Marktgleichgewicht zustande kommt, das zu einer Preiserholung führen sollte, hängt entscheidend davon ab, welches Ergebnis die Verhandlungen der Anbieter über einen neuen Vertrag mit China bringen. Ein Abschluss wird im ersten Quartal 2020 erwartet. Das Reich der Mitte ist der größte Abnehmer von Kaliumchlorid, hatte aber zuletzt einen Importstopp verhängt.”Der schnelle Abbau der Verschuldung hat für uns höchste Priorität”, sagt K+S-Vorstandschef Burkhard Lohr und fügt hinzu: “Wir brauchen eine solide finanzielle Basis, um nachhaltig wachsen zu können.” Diese Erklärungen hören sich gut an und dürften kaum auf Widerspruch stoßen. Und dass ein Vorstand seine einmal geäußerten Ziele auch in schwierigen Zeiten nicht einfach kippt, sondern weiter zu erreichen versucht, verdient grundsätzlich Respekt. Aber der Vorstoß, dafür die wertvollsten Assets ins Schaufenster zu stellen, ist falsch. Zwar muss ein hoher Verschuldungsgrad auf Sicht reduziert werden. Das darf aber, auch wenn sich die 2017 erst wenige Monate im Amt befindliche Führung damals eine Frist dafür gesetzt hat, nicht zum Selbstzweck werden.Der K+S-Vorstand wird nicht müde zu betonen, dass die langfristigen Aussichten für den Düngemittelmarkt u. a. wegen der wachsenden Weltbevölkerung sehr gut sind. Ausgerechnet jetzt, wenn der Kalimarkt am Boden ist, Anteile an Bethune verkaufen zu wollen, nur um sklavisch einem Schuldenziel hinterherzujagen, das unter den gegebenen Umständen in der Kürze der Zeit nicht mehr erreicht werden kann, wäre wertvernichtend. “Rasche Wertgenerierung”, wie es in der Mitteilung in Aussicht gestellt wird, heißt hier doch nichts anderes, als Teile des Tafelsilbers zu verramschen. K+S hat in Bethune etwa 3 Mrd. Euro investiert; Lohr zufolge ist das Kaliwerk fast 5 Mrd. Euro wert. Kein Investor würde derzeit auch nur annähernd so viel ansetzen.Ein Teilverkauf oder Börsengang des Salzgeschäfts in Nord- und Südamerika erscheint wenigstens etwas sinnvoller. Mit der Übernahme der chilenischen SPL 2006, dem größten südamerikanischen Salzförderer, und der US-Firma Morton Salt 2009 war K+S zum weltweit führenden Salzproduzenten aufgestiegen. Morton Salt mit dem “Umbrella Girl” kennt in den USA fast jedes Kind. Schätzungen zufolge sind Unternehmen und Marke rund 2,2 Mrd. Euro wert. Da K+S bei jedem Asset die Mehrheit behalten will, könnte mit Morton demnach etwa 1 Mrd. Euro erlöst werden. Den Konzern aus Kassel drückt eine Schuldenlast von gut 3 Mrd. Euro. Mithin brächte das eine starke Entlastung. Doch verlöre K+S mit einem Anteilsverkauf oder IPO wohl knapp die Hälfte an einem cashstarken Unternehmensteil.Vor kurzem fiel der K+S-Kurs auf den tiefsten Stand seit 14 Jahren. Die leichte Erholung nach Bekanntgabe der Verkaufsabsichten dürfte vor allem an der Erleichterung darüber liegen, dass die von einigen Analysten erwartete Kapitalerhöhung ausblieb. Die jüngste strategische Weichenstellung gibt dagegen keinen Anlass zu Kursavancen. ——Von Martin DunzendorferDer Vorstand von K+S hat sich ein Schuldenziel gesetzt, das in der verbleibenden Zeit nicht zu erreichen ist. Nun sollen Teile des Tafelsilbers verkauft werden.——