Fondsbranche fordert Überarbeitung des Kapitalanlagengesetzbuchs
Fondsregulierung verträgt keinen Stillstand
Zum 10. Geburtstag fordert die Branche eine Überarbeitung des Kapitalanlagengesetzbuchs
Finanzierung von Infrastruktur und erneuerbarer Energie und Digitalisierung machen Anpassungen nötig.
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Das zehnjährige Bestehen des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) hat die Branche zum Anlass genommen, einen Blick nach vorne zu wagen. Denn in den vergangenen Jahren ist die Fondswelt nicht stehen geblieben, entsprechend benötige das KAGB eine Überarbeitung. Dabei ist auch klar, dass das KAGB einem laufenden Wandel unterworfen ist.
Aus Sicht von Marcus Mecklenburg, Leiter der Rechtsabteilung beim deutschen Fondsverband BVI, darf es keinen Stillstand geben. Das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz enthalte vierversprechende Vorschläge, um den Fondsstandort wettbewerbsfähiger zu machen. Allerdings fehlt aus Sicht des BVI bislang die investmentsteuerliche Flankierung. „Das muss dringend nachgearbeitet werden, sonst laufen diese Maßnahmen weitgehend ins Leere.“ Es gelte weiterhin, Defizite in der Fondsgesetzgebung zu beseitigen.
Blick nach Luxemburg
Das Fondsstandortgesetz war die letzte größere Änderung und hat die deutsche Gesetzgebung nochmals näher an die Luxemburger Regulierung herangeführt. Bis dato war ein geschlossenes Sondervermögen nach deutscher Regulierung nicht machbar, obwohl sich dies in Luxemburg bewährt hat. „Das Problem ist, dass die Regulierung für die Investoren, also etwa für Versorgungswerke und Versicherungen, die der Anlageverordnung unterliegen, nicht angepasst wurde“, stellt Titus Noltenius, Head of Legal Fund Governance bei Universal Investment, fest.
Die Regulierung beim KAGB wird weitergehen. „Dabei geht es nicht um grundlegende Änderungen, sondern eher um technische Anpassungen im Detail“, sagt Ulrich Keunecke, Partner Legal Financial Services bei KPMG. Insbesondere werde es eine weitere Angleichung geben von Versicherungs-, Bank- und Investmentrecht, beispielsweise im Bereich der IT oder des Risikomanagements. Die Fortentwicklungen würden vielfach auch den Bereich Compliance betreffen, wo die Prozesse mehr und mehr verschriftlicht werden müssen.
Ein Manko des KAGB ist die fehlende Flexibilität in der Produktgestaltung. „Bislang treiben wir mit unseren Regularien institutionelle Investoren häufig nach Luxemburg. Es gibt daher aus meiner Sicht keinen Grund, die Produktflexibilität für institutionelle Investoren durch die Aufsicht derart zu beschränken“, so Keunecke. Er plädiert zum Beispiel dafür, dass Fonds auch Schuldverschreibungen ausgeben dürfen. „Mit mehr Flexibilität würde man zumindest auf Augenhöhe mit Luxemburg kommen. Dort sind viele Produktausgestaltungen schon heute möglich.“
Verbesserung und Weiterentwicklung sind auch bei den bestehenden investmentrechtlichen Organisationsformen offene/geschlossene Investment-AG und Investment-KG möglich. „Bei der geschlossenen Investment-AG gelten zum Beispiel bei Kapitalmaßnahmen die strengen aktienrechtlichen Formvorschriften, die für einen Fonds absolut unpraktikabel sind“, sagt Frank Dornseifer, Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments (BAI). Bei der offenen Investment-AG gebe es einen restriktiven Anlagekatalog. „Es können beispielsweise keine Immobilien erworben werden, weil man ursprünglich keine Konkurrenz zu Reits zulassen wollte. Solche alten Zöpfe müssen abgeschnitten werden“, so Dornseifer.
Steuerrecht im Fokus
Die Synchronisation von KAGB, Investmentsteuerrecht und der Anlageverordnung steht für viele Beobachter oben auf der Agenda. „Es gibt viele Brüche mit dem Steuerrecht, aber auch mit der Anlageverordnung. Zum anderen muss aber nicht nur das KAGB überarbeitet werden, es braucht vor allem eine Harmonisierung von Investmentsteuerrecht und Anlageverordnung, die häufig und in zentralen Punkten das Aufsichtsrecht nicht spiegeln“, heißt es vom BAI.
Für Frank Eggloff, Geschäftsführer bei Universal Investment, ist es wichtig, dass die deutsche Regulierung steuerrechtlich mit Luxemburg gleichzieht. „Das fängt bei der Steuerbemessungsgrundlage an und endet bei der Bürokratie. Während in Deutschland noch Berge von Papier bewegt werden, ist in Luxemburg vieles weniger kompliziert.“
Der Anlegerschutz erreicht beim KAGB ein aus Sicht von Keunecke „zu hohes Schutzniveau“. Er plädiert insbesondere für einen sachgerechten Umgang mit den semiprofessionellen Anlegern. „Hier sind die Hürden einfach zu hoch und erschweren sehr erfahrenen Anlegern häufig den Zugang zu sinnvollen Fondsprodukten.“ Demgegenüber würden dieselben Anleger beispielsweise Zertifikate, Direktanlagen und Kryptoprodukte mit zum Teil höheren Risiken beziehungsweise mit geringerem Schutz kaufen können. „Auf der Produktebene gibt es im Investmentrecht immer einen Spagat zwischen Anlegerschutz und den Bedürfnissen des Marktes.“
Mehr Infrastruktur wagen
Die Regulierung der Assetklasse Infrastruktur in der Fondsregulierung ist eine große Herausforderung für den Gesetzgeber. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland wurde 2021 das offene Infrastruktur-Sondervermögen in das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) eingeführt. Der Gesetzgeber hat damit die Angebotspalette erweitert. Beim Infrastruktur-Sondervermögen ist es bislang aber nicht möglich, zu 100% in Infrastruktur-Vermögensanlagen zu investieren. Zudem stellt sich die Frage der Bewertung.
„Bislang wird auf die Immobilienfonds verwiesen. Doch Immobilien werden nach Grundstückspreisen und Mietverträgen bewertet, was bei Infrastrukturinvestments nicht passt. Hier geht es beispielsweise um Einspeisevergütungen“, sagt Titus Noltenius, Head of Legal Fund Governance bei Universal Investment. Das müsste gesetzlich angepasst werden, damit die Vermögensgegenstände im Infrastruktursondervermögen sauber bewertet werden könnten.
„Das geschlossene Sondervermögen, welches wir für Infrastrukturanlagen nutzen können, war ein erster Schritt, aber auch mit Blick auf Strukturierungsmöglichkeiten in anderen europäischen Ländern müssen wir hier gleichziehen“, fordert BAI-Geschäftsführer Dornseifer.
"Die Fondswelt nicht umkrempeln"
„Das Zukunftsfinanzierungsgesetz wird die Fondswelt nicht umkrempeln, aber es wird der Branche weiterhelfen. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Möglichkeit, beispielsweise Solaranlagen direkt in einen Immobilienfonds zu kaufen. "Das ist eine große Hilfe für den gesamten Bereich illiquider Assets“, bilanziert Noltenius. Bislang sei es den Fonds verboten, gewerblich tätig zu werden. Daher ließe sich bisher nur schwer privates Kapital innerhalb von Immobilienfonds beispielsweise für den Bereich erneuerbare Energien akquirieren. „Daher brauchte es diese Erleichterungen“, sagt Noltenius. Problematisch sei aber auch beim Zukunftsfinanzierungsgesetz das Thema Bewertung.
Positiv sei aber, dass erkannt wurde, dass Fonds geborene Partner bei der Finanzierung der Energiewende seien, so Dornseifer. „Wenn wir allerdings auf die immer größer werdenden Probleme im Sektor Infrastruktur insgesamt schauen, müsste im Gesetz ein breiterer Vorstoß enthalten sein.“
Steuerrechtliche Flankierung
Unverständlich sei, dass vergessen wurde, die investmentsteuerlichen Implikationen und Handlungsnotwendigkeiten mit anzugehen, heißt es beim BAI. Die im jetzt zurückgestellten Wachstumschancengesetz enthaltenen Vorschläge für eine steuerliche Flankierung seien auf jeden Fall unzureichend. "Hier setzen wir jetzt auf das parlamentarische Verfahren“, sagt Dornseifer.
Aus Sicht des BAI sei eine eigene Infrastrukturquote in den jeweiligen gesetzlichen Anlagekatalogen hilfreich, vor allem, wenn dort auch Anlagen über Projektgesellschaften in der Form der Personengesellschaft akzeptiert werden. „Infrastruktur ist eine eigenständige Anlageklasse, deren Besonderheiten gezielt adressiert werden müssen. In den Ministerien wird Infrastruktur hingegen häufig als Annex zu Immobilien angesehen und das ist falsch“, bemängelt Dornseifer.
Der BVI begrüßt, dass mit zu dem Zukunftsfinanzierungsgesetz auch Infrastruktur- und offene Immobilienfonds stärker in Anlagen für erneuerbare Energien investieren dürfen. Damit könnten deutsche Fonds an der Transformation im Energiebereich aktiv mitwirken. „Allerdings fehlt dafür noch die steuerrechtliche Flankierung“, bemängelt der Verband.
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll künftig auch die Verwaltung aller Investmentfonds von der Umsatzsteuer befreit werden. Das ist nach Einschätzung des BVI „für die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandortes Deutschland ein positives Signal“.
Bislang würden in Deutschland Investmentfonds, die erneuerbare Energien und Infrastrukturinvestitionen finanzieren, benachteiligt und deshalb im Ausland aufgelegt. „Mit der Neuregelung kann diese steuerlich motivierte Abwanderung gestoppt werden“, hofft der BVI.