KommentarNetzentgelte

Aus der Balance geraten

Die Bundesnetzagentur will Stromverbraucher vor höheren Preisen schützen, verprellt damit aber die dringend benötigten Netzinvestoren.

Aus der Balance geraten

Aus der Balance geraten

Von Andreas Heitker

Die Bundesnetzagentur will Stromverbraucher schützen und verprellt damit Netzinvestoren.

Netzentgelte

Für die Energiewende und den weiteren Weg der Dekarbonisierung ist der Ausbau der Stromnetze von entscheidender Bedeutung – schließlich müssen die ganzen neu geplanten Wind- und Solarparks ja angeschlossen und der dort erzeugte Strom auch zu den verschiedenen Abnehmern transportiert werden. Es ist unstrittig, dass in die deutschen Hoch- und Höchstspannungsleitungen und insbesondere auch die Verteilnetze noch in dieser Dekade ein dreistelliger Milliardenbetrag investiert werden muss, um sie fit für das Erneuerbare-Zeitalter zu machen. Die Entscheidung der Bundesnetzagentur, welche Eigenkapitalverzinsung in der 2024 beginnenden neuen Regulierungsperiode akzeptiert wird, ist daher auch zentral für die Frage, wie diese Investitionen mit privatem Kapital gestemmt werden können. Die Bonner Behörde muss bei ihrer Entscheidung allerdings nicht nur das neue Zins- und Investitionsumfeld in der Energiewirtschaft berücksichtigen, sie muss auch eine Balance finden zwischen dem Setzen zusätzlicher Anreize und den Belastungen von privaten Haushalten und der Industrie. Denn die Netzgebühren, die aus dieser Eigenkapitalverzinsung hervorgehen, stehen aktuell für immerhin 20% des Strompreises.

Die Netzagentur versucht diese Balance jetzt über getrennte Eigenkapitalzinssätze zu erreichen: Neuinvestitionen erhalten demnach einen attraktiven 40-Prozent-Zuschlag, was ersten Expertenberechnungen zufolge 500 Mill. Euro pro Jahr zusätzlich für die Netzbetreiber bedeuten könnte. Bestandsinvestitionen bleiben dagegen auf dem alten Renditeniveau. Das Argument: Diese seien ja ohnehin schon zu den alten Marktbedingungen durchfinanziert.

Über die Höhe der künftigen Eigenkapitalverzinsung kann man sich sicherlich immer streiten. Aus Reihen der Netzbetreiber kommen mittlerweile Berechnungen, wonach der Effekt der neuen Zinssätze einen durchschnittlichen Haushalt pro Jahr weniger kostet als eine Kugel Eis. Aber ob es wirklich eine gute Idee ist, langfristig ausgerichteten Infrastrukturinvestoren mit unterschiedlichen Renditevorgaben und möglichen jährlichen Adjustierungen ihre Planungssicherheit zu zerschießen, mag dann doch sehr zweifelhaft sein. Eine Sicherheit hätten die Netzbetreiber für neue Investitionen nämlich künftig allerhöchstens noch für fünf Jahre. Die dringend benötigten Anreize für mehr Investitionen in das Stromnetz werden so sicher nicht gesetzt. Natürlich müssen die Stromverbraucher vor weiteren Preissteigerungen geschützt werden. Aber dabei sollten weniger die Netzentgelte, sondern eher die zahlreichen Steuern, Abgaben und Umlagen in den Fokus der Debatte rücken.

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