H&M kommt aus der Mode
Einzelhandel
H&M kommt aus der Mode
Von Heidi Rohde
Im Einzelhandel erhält Fast Fashion eine neue Dimension. Trendsetter von gestern sind heute schon Ladenhüter, auch bei Investoren.
In der Technologiebranche ist gerne von schnelllebigen Trends die Rede, aber vom Tempo der Modeindustrie können sich selbst die innovationsstarken Digitalfirmen mitunter noch eine Scheibe abschneiden. Nirgendwo löst ein Aufsteiger so schnell den nächsten ab. Der einstige Investorenliebling H&M, der jetzt mit Geschäftsverlauf und Ausblick an der Börse einen Kursrutsch ausgelöst hat, hatte den klassischen Modeeinzelhandel erst vor wenigen Jahren mit einer schnell wachsenden Ladenkette für eine junge, preissensitive Klientel das Fürchten gelehrt. Doch schon kurze Zeit später sahen sich die Schweden in Europa von den Trendsettern des Online-Modehandels wie Zalando, Asos oder About You schwer bedrängt – und natürlich vom E-Commerce-Riesen Amazon.
Glanz verloren
Aber auch die neuen Stars am Shopping-Himmel haben in jüngster Zeit viel an Glanz verloren. Ein Blick auf die Zalando-Aktie lehrt, dass die Aktionäre des einst rasant wachsenden Berliner Unternehmens mit dem Kursverlauf noch weniger zufrieden sein können als die Anleger bei H&M. Der Konzern ist vom Dax-Schwergewicht zum Wackelkandidaten mutiert, denn der Geschäftsverlauf hat vor allem im vergangenen Jahr enttäuscht.
Welle aus China
Grund ist die nächste Welle von Herausforderern in der Modebranche. Die chinesischen sogenannten Fast Fashion-Hersteller Shein und Temu sind dabei, den europäischen Markt aufzurollen, und zwar in gefühlter Lichtgeschwindigkeit mit ebenso schnell wechselnden Kollektionen. Sie stechen Anbieter wie H&M nicht nur beim Preisniveau aus, sondern sprechen ihre jungen, experimentierfreudigen Kunden und Kundinnen auch über neue Vertriebskanäle wie Instagram und Tiktok an.
H&M gerät zur Ikone von gestern, die spanische Inditex-Gruppe muss aufpassen, dass ihren Marken nicht das Gleiche blüht. Beiden kommt das Trendsetter-Image abhanden. Mit den Kunden gehen die Investoren. Letztere zeigen sich ebenfalls offenbar sehr empfänglich für die Billigmodeversender aus dem Fernen Osten, – aller Kritik wegen des Verdachts auf Zwangsarbeitseinsatz und Umgehung von Zollvorschriften zum Trotz. Shein, die für ihr IPO die London Stock Exchange (LSE) ins Auge gefasst hat, wird nicht nur von der LSE selbst als mögliches Aushängeschild umworben. Finanzkreisen zufolge wird dem Unternehmen von Investoren aktuell eine Anfangsbewertung von 50 Mrd. Pfund, also knapp 60 Mrd. Euro zugetraut, H&M bringt es nach dem Kurssturz gerade mal auf ein Drittel dieses Wertes.