Washington

Hocheffizient gegen die Pandemie

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben die USA während der letzten 14 Monate ein Wechselbad der Gefühle durchlebt wie kaum eine andere Nation – in Bezug auf Impfungen sowie sinkende Infektionszahlen stehen sie heute aber besser da als fast jedes...

Hocheffizient gegen die Pandemie

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben die USA während der letzten 14 Monate ein Wechselbad der Gefühle durchlebt wie kaum eine andere Nation – in Bezug auf Impfungen sowie sinkende Infektionszahlen stehen sie heute aber besser da als fast jedes andere Land. Dabei hatte die Achterbahnfahrt zwischen Verzweiflung und Hoffnung wenig verheißungsvoll begonnen. Lange Zeit lang versuchte der damalige Präsident Donald Trump, das Virus zu verharmlosen, und stemmte sich gegen Kontaktbeschränkungen sowie Lockdowns.

Als aber der Wahlkampf in vollem Gange war und klar wurde, dass Trumps Wiederwahl entscheidend von den Erfolgen bei der Bekämpfung des Virus abhängen würde, rief der Präsident die Operation Warpspeed ins Leben und leistete damit Vorarbeit für seinen Nachfolger Joe Biden. Als Biden die Regierungsgeschäfte im Januar übernahm, waren die Impfungen schon im Gange. Gleichwohl kritisierten Bidens Gesundheitsberater das Fehlen einer Infrastruktur im Kampf gegen die Pandemie. Es gebe nicht genug Impfzentren, auch hätten Trumps Berater ihnen keine Unterlagen übergeben, die auf konkrete Strategien hindeuten.

Prompt brachte Biden seinen eigenen Aktionsplan in die Spur. Er ließ neue Kliniken bauen und zusätzliches Krankenpersonal einstellen, Parkplätze von Sportstadien und Shopping Malls wurden zu Test- und Impfzentren umfunktioniert. Das Ziel, während seiner ersten 100 Tage im Amt 100 Millionen Amerikaner mindestens die erste der beiden Spritzen verabreichen zu lassen, hat der Präsident deutlich übertroffen. Heute liegt die Zahl bereits bei über 200 Millionen, und mehr als 26% aller US-Bürger sind vollständig geimpft.

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Mit welcher Effizienz die Impfaktionen durchgeführt werden, bekam ich nun am eigenen Leib zu spüren. Es begann mit einer SMS aus der Praxis unseres Familienarztes. Ich folge der Anleitung, loggte mich bei meinem privaten „Gesundheitsvorsorge-Account“ ein und sah prompt eine Liste verfügbarer Impftermine. Binnen weniger Minuten war die Vorregistrierung abgeschlossen. Notwendig sei es dann nur, pünktlich im Victory Center in Alexandria/Virginia, einzutreffen. Das Gesundheitszentrum in dem historischen Vorort von Washington, das gemeinsam von dem Unternehmen Inova Health und der Stadt Alexandria betrieben wird, wurde im März in ein provisorisches Impfzentrum umgewidmet. 5000 Quadratmeter verteilen sich nun auf große Säle, in denen die Impfungen durchgeführt werden, Tiefkühllager, die 400000 Dosen des Pfizer Vakzins lagern können, und Büroräume für Personal.

Nach dem Parken staunte ich über die Schlange von etwa 300 Menschen, die um zwei Ecken des Hochhauses reichte. Ein freiwilliger Helfer, der meine Ungeduld wohl spürte, versicherte: „Keine Sorge, in 20 bis 30 Minuten sind Sie durch, Sir.“ Die Schlange bewegte sich tatsächlich mit beeindruckendem Tempo. Nach weniger als zehn Minuten stand ich am Eingang und wurde gebeten, an jenen Tisch zu gehen, wo ein junger Mann ein Schild mit der Nummer 19 hoch hielt. Ich zückte meinen Führerschein, er bestätigte die Daten blitzschnell in seinem Tablet und bat freundlich, mich hinter den anderen registrierten Kandidaten anzustellen.

Die Koordination zwischen den größtenteils freiwilligen Helfern funktioniert wie die Rädchen einer gut geölten Maschine, die perfekt ineinandergreifen. Keine fünf Minuten waren vergangen, ich stand bereits ganz vorn und wurde von einer weiteren Freiwilligen zu einem von 70 Tischen begleitet. Dort stellt sich Krankenschwester Pauline vor, die das Vakzin schon parat hielt und mir prompt die Spritze verabreichte. Pauline füllte den Impfausweis aus und zeigte freundlich auf die zahlreichen Warteräume. In diesen muss man sich zehn Minuten aufhalten, Beobachter kontrollieren, ob Nebenwirkungen auftreten. Wie unter Amerikanern gang und gäbe, verabschiedete sie mich mit den Worten „Have a nice day“. Der freiwillige Helfer hatte recht, in weniger als einer halben Stunde war alles vorbei. So gelingt es eben, allein im Victory Center jeden Tag 6000 Menschen zu impfen und der Pandemie langsam, aber sicher Herr zu werden.