Untreuefall

Hoffnung ist keine Kommunikations­strategie!

Richtig wäre, sich, wenn ein Untreuefall auffliegt, sofort auf die externe – und auch auf die interne – Kommunikation vorzubereiten.

Hoffnung ist keine Kommunikations­strategie!

Kennen Sie das auch? Sie sitzen gemütlich im Wohnzimmer, haben ein gutes Buch in der Hand und im Hintergrund läuft der Fernseher, ohne dass Sie dem Programm ernsthaft folgen. Doch plötzlich werden Sie durch wenige Wortfetzen aus dem Lesemodus gerissen und schauen aufgeschreckt auf den Bildschirm.

So erging es mir kürzlich an einem Freitag, als im Hintergrund Michael Steinbrechers „Nachtcafé“ im SWR lief. Vielleicht das ruhigste Talk­format, das das Fernsehen zu bieten hat. Hier können die Gäste ihre Gedanken in aller Ruhe ausführen, ohne Gefahr zu laufen, nach wenigen Sekunden von anderen Teilnehmern, vom Moderator beziehungsweise der Moderatorin jäh unterbrochen zu werden. Und niemand meint, durch längliche oder aggressive Redebeiträge im Sinne der eigenen Wahrnehmung „Punkte sammeln“ zu müssen.

Dennoch muss ich zugeben, dass ich der Sendung an diesem Abend nicht wirklich folgte, sondern mich in ein Buch vertieft hatte. Doch urplötzlich war ich voll „auf Sendung“. „Den Fall kenne ich doch“, ging mir urplötzlich durch den Kopf.

Und tatsächlich saß da ein ehemaliger Bankangestellter, der seinen Arbeitgeber über viele Jahre hinweg um insgesamt fast 9 Mill. Euro er­leichtert hatte – wir hatten das regionale Geldinstitut nach Bekanntwerden des Falles in der Kommunikation begleitet. Allerdings – leider – nicht ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt.

Kommunikationsberater müssen immer wieder feststellen, dass es in Unternehmen, der Öffentlichkeit und der Justiz im Umgang mit solchen Delikten Gesetzmäßigkeiten gibt, die sich (fast) immer wieder­holen.

1. Zumeist beschäftigen sich Unternehmen sehr ungern – und daher häufig sehr oder gar zu spät – mit der Frage der Kommunikation solcher ärgerlichen Vorgänge. Und dies, obwohl sie ja selbst in erster Linie Betrogene, also „Opfer“ sind.

„Kein Kommentar“

Im Falle der Taten des Talkshow-Gastes geschah das sogar erst, nachdem die „Bild-Zeitung“ zweimal vergeblich um eine Stellungnahme gebeten hatte (Antworten: „Kein Kommentar“, „Wir prüfen noch“). Worauf die Zeitung den überaus erfolgreichen und in der Region hoch angesehenen Vorstandsvorsitzenden mit einem großformatigen Foto ins Blatt gehievt hatte, das mich an den „Bravo-Starschnitt“ in meinen jungen Jahren erinnerte.

2. Offenbar lässt das Führungspersonal sich gerne von der Hoffnung leiten, der (öffentliche) Kelch werde schon vorübergehen. Richtig wäre stattdessen, sich, wenn ein Untreuefall auffliegt, sofort auch auf die externe Kommunikation vorzubereiten. Und auch auf die interne Information, denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigsten „Botschafter“ jedes Unternehmens und werden von Freunden, Bekannten oder Verwandten auf solch gravierende Vorfälle angesprochen („Was ist denn bei Euch los?“).

3. Also gilt es sich vorzubereiten, vor allem darauf, dass etwas durch­sickert oder „durchgesickert“ wird. Und im Kontakt zu den Ermittlungsbehörden auch die Kommunikation nicht außen vor zu lassen.

Dass die Ermittlungen durch frühzeitige öffentliche Bekanntgabe ge­fährdet werden könnten, führt übrigens häufig dazu, dass Staatsanwaltschaften um Zurückhaltung bitten – was Zeit gibt, sich professionell aufzustellen. Immerhin geht es um das vielleicht wichtigste Kapital eines Unternehmens, nämlich seine Reputation.

4. Die oft geübte Zurückhaltung, Kommunikation überhaupt anzudenken, hängt auch damit zusammen, dass Vorstände Sorge haben, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Als ob diese Gefahr geringer wäre, wenn man sich auf die Kommunikation nicht vorbereitet. Im Gegenteil: Im geschilderten Fall führten Vorsicht und Zurückhaltung dazu, dass Täter und Opfer in der öffentlichen Wahrnehmung beinahe verwechselt wurden. Das Bild des auskunftsunwilligen Chefs erschien verrückterweise Tage vor dem des Täters großformatig in der Zeitung, obwohl Letzterer auch eine Person des öffentlichen Lebens in der Region war. Das Foto war so groß, dass ich den verständlicherweise völlig ge­schockten Vorstandsvorsitzenden seinerzeit ermuntern musste, die Brötchen fürs Wochenende dennoch wie üblich in der Bäckerei seines Vertrauens zu kaufen.

5. Die Täter versuchen im Strafprozess, die Betrogenen – ob Geldinstitute, Unternehmen oder Verwaltungen – in eine gewisse Mithaftung zu nehmen. Gemeinsam mit seinem Verteidiger teilte er kräftig gegen die Bank aus und versuchte bildlich gesprochen den Eindruck zu erwecken, das Geld habe quasi auf dem Boden gelegen, so dass ihm eigentlich nur übrig geblieben sei, es aufzuheben. Was dann auch – und nicht nur in diesem Fall – zu richterlichen Seitenhieben gegen das Geldinstitut bei der Urteilsbegründung führte.

Der untreue Mitarbeiter, der nicht nur seine Freiheit, sondern auch seinen über Jahrzehnte erworbenen guten Ruf in der Region verlor, hat inzwischen seine Strafe verbüßt. Als Gast im „Nachtcafé“ unternahm er nichts mehr, um sein Handeln zu beschönigen.

Er schilderte den Fall, sein Doppelleben und auch den Transfer des veruntreuten Geldes ins Rotlichtmilieu vielmehr detailreich. Und es drängte sich der Eindruck auf, als nutze er nunmehr seine zweite Chance für ein neues Leben. Für die Bank selbst spielt das Thema öffentlich keine Rolle mehr, beim Täter war ein bisschen was zurückzuholen, die Versicherung hat auch gezahlt. Und in der Mitarbeiterschaft läuft es unter „Weißt Du noch, damals…“

Frühzeitig kommunizieren

Für jedes Unternehmen könnte der Fall aber eine Lehre sein, sich im Krisenfall im Sinne der Schadensbegrenzung frühzeitig mit der Kommunikation zu beschäftigen.

Dirk Metz, Staatssekretär a.D., ist Gründer und Geschäftsführer von DMK, einer Agentur für Kommunikation und Krisenkommunikation.

In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.