LEITARTIKEL

Huawei auf Houdinis Spuren

Kann man den von den USA heftig angefeindeten chinesischen Technologiekonzern Huawei wirklich aufhalten? Washington versucht seit dem vergangenen Jahr, den weltführenden Telekomausrüster in immer stärkere Ketten zu legen, muss aber verblüfft...

Huawei auf Houdinis Spuren

Kann man den von den USA heftig angefeindeten chinesischen Technologiekonzern Huawei wirklich aufhalten? Washington versucht seit dem vergangenen Jahr, den weltführenden Telekomausrüster in immer stärkere Ketten zu legen, muss aber verblüfft feststellen, dass es Huawei – gleich dem legendären Magier Houdini – immer wieder gelingt, die Fesseln abzustreifen. Bislang jedenfalls schafft es Chinas Vorzeigekonzern, seine alles andere als bescheidenen Wachstumsambitionen im Smartphonegeschäft zu erfüllen, und er stellt auch weiter das Maß der Dinge in der Entwicklung kommender 5G-Telekomnetzwerke dar.Im Jahr 2016 hatte Huawei die Ambition abgesteckt, binnen fünf Jahren zur globalen Nummer 1 im Smartphonemarkt aufzusteigen. Dies galt als ziemlich vermessen. Schließlich hatte man mit Apple und Samsung zwei nicht nur technologisch äußerst beschlagene Konkurrenten vor sich, sondern auch zwei Adressen, die über ein wesentlich glamouröseres und zugkräftigeres Markenimage bei der Premiumkundschaft verfügten. Abgesehen davon ist Huaweis heimische Konkurrenz, angeführt von Oppo, Vivo und Xiaomi, höchst wach und aktiv.Eine jüngste Aufstellung zur Geschäftsverteilung im globalen Smartphonemarkt für den April zeigt nun tatsächlich, dass es Huawei erstmals überhaupt gelungen ist, die globale Marktführerschaft vor Samsung und Apple für sich zu gewinnen. Noch muss man das Quartalsende abwarten, um zu sehen, wie sich Huawei im üblichen Dreimonatsrhythmus bei den globalen Rankings behauptet hat, aber vieles spricht dafür, dass der Marktführerschaftscoup gelingt. Freilich geht Huaweis Vormarsch in erster Linie auf den riesigen Heimatmarkt zurück. Dieser hat in den letzten Jahren insgesamt an Dynamik eingebüßt, dürfte aber wegen Chinas rascher Zurückdrängung der Corona-Pandemie gerade in diesem Jahr im weltweiten Konzert noch mehr Gewicht beanspruchen.Das chinesische Publikum ist von den kommenden Errungenschaften der 5G-Technologie so fest überzeugt, dass sich gerade die imagefixierten Premiumkäufer nirgendwo blicken lassen möchten, ohne bereits ein voll 5G-fähiges Handy zu zücken. Insbesondere Apple guckt dabei ziemlich in die Röhre, weil ausgerechnet die Smartphoneschmiede aus dem Silicon Valley bislang nicht in der Lage oder willens war, in ihren neuesten iPhones 5G-Technik einzupflanzen. Samsung wiederum hat in China sowieso eine eher schwache Präsenz.Ernster wirkt die Lage freilich auf Ebene des 5G-Netzwerkgeschäfts, denn Washington übt nicht nur gewaltigen Druck auf verbündete Staaten aus, Huawei bei der Vergabe von 5G-Kontrakten möglichst ganz auszuschließen. Kniffliger noch wird die Lage für Huawei, weil eine im Mai wesentlich verschärfte Auslegung der amerikanischen Foreign Direct Product Rule nun darauf abzielt, Huawei bei der Zulieferung von Mikrochips das Wasser abzugraben. Aber auch hier gibt es noch Spielraum, den Huawei dazu nutzen könnte, sich auch aus diesen Fesseln herauszuwinden.Zum einen gibt es in den USA gewaltige Lobbyisten-Anstrengungen der Tech-Branche, um zu verhindern, dass das lukrative Zuliefergeschäft an Huawei völlig zum Erliegen kommt. Zum anderen sehen Experten auch im jüngsten US-Regelwerk mögliche Schlupflöcher, die Huawei zumindest eine Zeit lang nutzen könnte. Letztlich aber wird es darum gehen, wie streng Washington wirklich mit Huawei umzuspringen vermag, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Zuletzt hieß es denn auch, dass es US-Unternehmen – Foreign Direct Product Rule hin oder her – zumindest gestattet sein soll, mit Huawei bei der eminent wichtigen Entwicklung von 5G-Standards zusammenzuarbeiten. Die USA müssten nämlich befürchten, sich bei völliger Entkoppelung von Huawei ihrerseits technologisch ins Abseits zu befördern.——Von Norbert HellmannHuawei erweist sich als Entfesselungskünstler bei der Umgehung von US-Sanktionen – und hat auch sonst noch einige Trumpfkarten im Ärmel. ——