KolumneUnterm Strich

Im Reich des Schattens

Schattenhaushalte haben Tradition in Deutschland. Doch mit Größe und Art des Klima- und Transformationsfonds verletzt die Ampel-Koalition haushaltspolitische Grundsätze.

Im Reich des Schattens

Im Reich des Schattens

Von Claus Döring

Schattenhaushalte haben Tradition in Deutschland. Doch mit Größe und Art des Klima- und Transformationsfonds verletzt die Ampel-Koalition haushaltspolitische Grundsätze.  

Dass man es auch im Schatten zu großer Blüte bringen kann, lehrt uns die Natur bei den Schattengewächsen. Im Wirtschaftsleben ist Schatten freilich meist negativ konnotiert, man denke an Schattenwirtschaft, Schattenbanken und eben auch an Schattenhaushalte. Ihnen gemeinsam ist die fehlende Transparenz und in der Folge meist mangelnde Kontrolle. Entsprechend beliebt sind solche Schattenhaushalte bei Regierungen, auch in Deutschland. Den größten der inzwischen gut zwei Dutzend Schattenhaushalte in Deutschland hat das Bundeskabinett dieser Tage beschlossen und vorgestellt, den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Damit setzt die Ampel-Koalition zum einen die unselige Praxis ihrer Vorgängerregierungen fort, wichtige politische Vorhaben, die im regulären Haushalt aus politischen oder fiskalischen Gründen nicht unterzubringen sind, in separate Haushalte auszulagern, die nicht der Schuldenbremse unterliegen. Zum anderen hat sie den Schattenfinanzierungen neben der neuen Quantität von 212 Mrd. Euro für den KTF eine neue Qualität gegeben. Denn anders als in früheren Fällen, die auf außergewöhnlichen Situationen beruhten wie beispielsweise das ERP-Sondervermögen des Marshallplans, der Fonds „Deutsche Einheit“, der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung nach der Finanzkrise oder der 100 Mrd. Euro schwere Sonderfonds für die Bundeswehr als Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine, handelt es sich beim KTF um die Finanzierung „normaler“ politischer Vorhaben, wie sie die Regierungsparteien in ihren Wahlprogrammen versprochen und die Ampel-Koalition verabredet hat.

Schon das Sammelsurium der unterschiedlichen Ausgabenzwecke des KTF – von Gebäudeheizungen über die Förderung erneuerbarer Energien, E-Mobilität, Eisenbahn-Infrastruktur, Wasserstoff-Industrie bis hin zur Mikroelektronik – spiegelt den Charakter dieses Sondervermögens und die Umgehung etablierter haushaltspolitischer Spielregeln. Ganz nach dem Motto „Wer will noch, wer hat noch nicht?“ wurde in den KTF alles hineingepackt, was im regulären Haushalt nicht unterzubringen war, aber zur Befriedigung der unterschiedlichen Interessen der Ampel-Parteien  nötig erschien. Und flugs war das ursprünglich ins Auge gefasste Volumen des KTF von 180 Mrd. Euro auf 212 Mrd. geklettert, davon fast 60 Mrd. Euro im kommenden Jahr. Bis heute mit vielen Fragezeichen zur Finanzierung.

Zweifelsohne sind Klimaschutz, Förderung der Digitalisierung oder Weiterentwicklung der Infrastruktur wichtige politische Vorhaben. Sie sind aber keine befristeten Sonderprojekte, sondern zentrale Staatsaufgabe, und zwar dauerhaft. Dafür gibt es Haushalte, die zu diskutieren und zu beschließen die vornehmste Aufgabe der Parlamente ist. Jedes Jahr aufs Neue. Denn damit werden auch Finanzierung und Priorisierung diskutiert und durch parlamentarische Mehrheiten demokratisch legitimiert beschlossen.

Indem die Bundesregierung wichtige Vorhaben über Sondervermögen umsetzt, weicht sie der unpopulären Entscheidung aus, ob Zukunftsinvestitionen Vorrang haben sollten gegenüber heutigem Konsum. Sie gaukelt den Bürgern vor, dass beides ohne Einschränkung möglich sei, indem sie die Finanzierung auf immer mehr Schattenhaushalte verteilt und damit die aus gutem Grund verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse umgeht.

Im Dunkeln ist schuldentechnisch gut munkeln. Zumindest so lange, bis Tilgung und Zinslasten dieser alles andere als nachhaltigen Staatsfinanzierung künftigen Generationen auf die Füße fällt. Oder bis das Bundesverfassungsgericht den Scheinwerfer auf das Schattenreich der Schulden und den Verschiebebahnhof von Kreditermächtigungen richtet und klarstellt, dass die nächste Generation nicht nur einen Rechtsanspruch auf Klimaschutz hat, sondern auch auf ein Leben ohne überbordende ererbte Schuldenlast. Es ist zu hoffen, dass Karlsruhe dem faktischen Aushebeln der Schuldenbremse ein Ende setzt.

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