Im BlickfeldNotleidende Kredite

Immer mehr Kredite geraten in Not

Die Kreditrisiken steigen: Deutsche Banken müssen sich auf höhere NPL-Quoten und zunehmende Portfolioverkäufe einstellen. Ein Ende 2023 in Kraft getretenes Gesetz soll den NPL-Handel und das Servicing professionalisieren.

Immer mehr Kredite geraten in Not

Kreditmärkte

Immer mehr Kredite geraten in Not

Es drohen höhere NPL-Quoten. Ein neues Gesetz soll den Zweitmarkt fördern.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Auf die Kreditmärkte könnten stürmische Zeiten zukommen. Das ist die Einschätzung der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) und der Frankfurt School of Finance. Ihr aktuelles Barometer für Non-Performing Loans (NPL) zeige, dass mit mehr Kreditausfällen, Auslagerungen und Portfoliotransaktionen zu rechnen sei, sagt Jürgen Sonder, Präsident der BKS.

Das NPL-Barometer für Sommer 2024 weist mit 0,45 Punkten einen hohen Wert auf und liegt nur knapp unter dem Rekordwert von 0,46 Punkten aus dem Herbst 2023. Die BKS unterscheidet in der Umfrage zwischen Lage- und Erwartungswert. Beide Zahlen würden auf steigende NPL-Bestände, sinkende Verkaufspreise für NPL und eine Zunahme von Portfolioverkäufen und Auslagerungen hindeuten.

Hintergrund der Entwicklung: Unternehmen und Privathaushalte seien durch viele Krisen stark belastet. Die Auswirkungen der Belastung auf die Kreditmärkte registriert BKS zeitversetzt durch eine Zunahme der notleidenden Kredite in den Bankbilanzen.

Für Christoph Schalast, Vorsitzender des BKS-Beirats, stehen gewerbliche Immobilienkredite im Fokus. „Projektentwickler und Bauträger sind aufgrund der Marktturbulenzen besonders ausfallgefährdet“, so Schalast, der Professor an der Frankfurt School of Finance ist. Aber auch bei Konsumentenkrediten, Wohnimmobilienkrediten und KMU-Krediten rechnen die Experten mit steigenden NPL-Quoten.

Risiko Gewerbeimmobilien

Die NPL-Portfoliosegmente Gewerbeimmobilien und Commercial Real Estate zeigen auch für den Kredit- und Inkassodienstleister Intrum eine Verschlechterung der Kreditqualität.  „Bei Consumer Loans und anderen Produkten im Privatkundensegment ist dies noch nicht so deutlich zu erkennen. Das kann sich jedoch schnell ändern, sodass spezialisierte Kreditdienstleistungsinstitute beim Abbau von NPL-Portfolios einen noch größeren Stellenwert einnehmen werden“, sagt Marcus Siegl, Interim Managing Director bei Intrum zuständig für Deutschland und Österreich.

Der Kredit- und Inkassodienstleister Intrum hat kürzlich mit dem European Payment Report 2024 eine Umfrage unter Führungskräften von Unternehmen veröffentlicht. Die Daten bieten einen Überblick über das Zahlungsverhalten europäischer Unternehmen und geben Hinweise auf Zahlungsverzögerungen, Zahlungspraktiken und das allgemeine finanzielle Risiko.

Umfrage zur Zahlungsmoral

Unter den deutschen Befragten sind 59% mehr denn je besorgt über die Fähigkeit ihrer Kunden, pünktlich zu zahlen. 48% sagen, dass es ihnen schwerfalle, ein klares Bild von der Fähigkeit der Kunden zu bekommen, ob diese pünktlich und vollständig zahlen würden. Und 59% der befragten Unternehmer sehen Probleme in der Zahlungskette, da die Schuldner ihrer Kunden nicht pünktlich zahlen würden, was wiederum den eigenen Cashflow beeinträchtige. Schließlich wurden 81% in den letzten zwölf Monaten gebeten, längere Zahlungsfristen zu akzeptieren. Diese Werte sind im Vergleich zur letzten Erhebung zwar nicht stark verändert, aber durchaus auf hohem Niveau.

Auf die Frage „Welche Vorkehrungen trifft Ihr Unternehmen, um Zahlungsausfälle zu vermeiden?“ wird mit 43% an erster Stelle „Vorkasse“genannt. Deutlich zugenommen hat in den vergangenen zwei Jahren der Anteil der Unternehmen, die auf Kreditausfallversicherungen setzen. Waren es 2022 noch 18%, so lag der Anteil 2024 bei 31%. Auch Bankbürgschaften und Maßnahmen zur Betrugsprävention werden deutlich häufiger genutzt, um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Die Werte aus der Umfrage unterstreichen, dass Kreditrisiken wahrscheinlich größer und die Zahlungsmoral nicht besser geworden ist.

NPL-Volumen steigt

Das NPL-Volumen in deutschen Banken könnte es laut den Befragten des NPL-Barometers bis Ende 2024 einen Anstieg auf rund 40,2 Mrd. Euro geben. Für Ende 2025 seien 41,0 Mrd. Euro möglich. Bei den unbesicherten Konsumentenkrediten nennt BKS einen Anstieg der NPL-Quote auf 2,1% bis Ende 2024 und auf 2,4% bis Ende 2025. Hier machten sich die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die höhere Zinsbelastung für Privathaushalte bemerkbar.

Anspannung bei Gewerbekrediten

Bei Wohnimmobilienkrediten werde mit einem Anstieg der NPL-Quote auf 1,2% bis Ende 2024 und auf 1,5% bis Ende 2025 gerechnet. Angespannter, das zeigen ebenfalls die Angaben der Befragten, sei die Lage bei den gewerblichen Immobilienkrediten mit einer erwarteten NPL-Quote von 3,6% Ende 2024 und 3,7% Ende 2025.

Übereinstimmung mit EZB-Daten

Die Daten der BKS-Umfrage korrespondieren weitgehend mit den Werten, die die EZB in ihrer bankenaufsichtlichen Statistik über bedeutende Institute quartalsweise veröffentlicht. Unter dem Schlagwort „Qualität der Vermögenswerte“ gibt die EZB die NPL-Quote für das erste Quartal 2024 mit 2,31% an. Im Vergleich zum Vorquartal seien die Werte relativ stabil und noch nicht so hoch wie in früheren Krisen. Doch eine Prognose bis Ende 2024 beziehungsweise 2025 gibt die EZB nicht.

Nach EZB-Daten ist die NPL-Quote gemessen an den Sektoren sehr heterogen. Die Spanne reiche von 3,55% bei Krediten an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften bis zu 0,64% bei Krediten an sonstige finanzielle Kapitalgesellschaften, während die Quote bei Krediten an private Haushalte bei 2,24% liegt.

Neuer Rechtsrahmen

Auch wenn die EZB-Zahlen noch nicht stark angezogen sind, schwingt im Markt doch die Sorge vor einer deutlichen Verschlechterung mit. Um den Markt für die möglicherweise anziehende NPL-Volumina effektiver zu machen, wurde die EU-Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditservicestellen und Kreditaufkäufer (NPL-Richtlinie) verabschiedet. Damit sollen es Banken leichter haben, notleidende Kredite aus ihren Bilanzen zu entfernen. Die Richtlinie ist ein Bestandteil des Aktionsplans zur Reduzierung notleidender Kredite in der Europäischen Union.

Richtlinie Ende 2023 umgesetzt

Die EU-Richtlinie war bis Ende 2023 umzusetzen. In Deutschland regelt das Kreditzweitmarktgesetz (KrZwMG) die EU-Vorgaben. Aus Sicht der BKS setzt das Kreditzweitmarktgesetz, das am 30. Dezember 2023 in Kraft getreten ist, einen wichtigen Impuls für den NPL-Markt. Es schaffe erstmals einen klaren Rechtsrahmen für den Kreditankauf und das Servicing notleidender Kredite in Deutschland und der EU, so der Verband.

„Das KrZwMG ist ein Meilenstein für die Professionalisierung des NPL-Marktes“, sagt Sonder. „Es schafft Rechtssicherheit, stärkt den Verbraucherschutz und eröffnet neue Möglichkeiten für spezialisierte Dienstleister. Gerade in einem herausfordernden Umfeld ist das aktive Management notleidender Kredite entscheidend, um Werte zu erhalten", so der Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing.

BaFin erteilt Zulassung

Aktuell hätten die ersten Kreditservicer die Erlaubnis als Kreditdienstleistungsinstitut von der BaFin erhalten. Damit könnten sie künftig EU-weit als vollwertige Partner der Banken beim Management von NPLs agieren. Der Verband weist aber auch darauf hin, dass der administrative Aufwand, der durch das Gesetz und die BaFin-Aufsicht entstehe, noch zu evaluieren sei.

Dynamik fehlt

Das neue Gesetz scheint aber noch nicht die gewünschte Wirkung zu entfalten. Die Dynamik bei den Portfolioverkäufen bleibe jedenfalls hinter den übrigen Indikatoren des NPL-Barometers zurück, heißt es in dem Bericht des BKS.

Moniert wird, dass für Kreditverkäufer das KrZwMG einen erhöhten Aufwand und höhere Kosten bedeuten würde, da sie bei Transaktionen mit KMU-Kreditnehmern immer einen lizenzierten Kreditdienstleister einbinden und die EBA-Datenvorlagen nutzen müssten.

Prozesse müssen angepasst werden

Auch die Prozesse für den Verkauf von NPL-Portfolios müssen nach Beobachtung des Verbands erst noch an die neuen Anforderungen angepasst werden. „Dies könnte dazu führen, dass Marktteilnehmer zunächst abwarten, wie sie mit den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen umgehen oder schlicht auf die Zulassungen durch die BaFin warten.“

Gleichwohl biete das KrZwMG Chancen für Kreditdienstleister. Durch die Harmonisierung des Rechtsrahmens und die Einführung eines europäischen Passes könnte der grenzüberschreitende Handel erleichtert werden. Auch wenn noch nicht klar sei, wie sich das KrZwMG auf die Transaktionsaktivitäten auswirken werde, rechnet der Branchenverband damit, dass das Gesetz langfristig zu einer weiteren Professionalisierung und Europäisierung des NPL-Marktes beitragen werde.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.