LEITARTIKEL

In einer exklusiven Sackgasse

Wer in diesen Tagen im Silicon Valley unterwegs ist, spürt den Reichtum an jeder Ecke. Frisch renovierte Villen, teure Sportwagen, Luxushotels und exklusive Edeleinkaufszeilen: Die wachsende Zahl der Multimillionäre und Milliardäre im Valley frönt...

In einer exklusiven Sackgasse

Wer in diesen Tagen im Silicon Valley unterwegs ist, spürt den Reichtum an jeder Ecke. Frisch renovierte Villen, teure Sportwagen, Luxushotels und exklusive Edeleinkaufszeilen: Die wachsende Zahl der Multimillionäre und Milliardäre im Valley frönt dem Lifestyle der Superreichen. Die Häuserpreise in Städten wie Palo Alto oder Cupertino sind regelrecht explodiert. Häuser, die für knapp 2 Mill. Dollar angeboten werden, wechselten wegen der Vielzahl an Bietern in den vergangenen Jahren nicht selten am Ende für mehr als 2,5 Mill. Dollar den Besitzer, wie Makler berichten. Im Wesentlichen hängt der Luxus-Hype am Start-up-Boom der vergangenen Jahre. Die Zahl der wagniskapitalfinanzierten US-Gesellschaften mit einer Bewertung von 1 Mrd. Dollar hat sich binnen zwei Jahren auf 86 verdreifacht. Der Gesamtwert des “Billion Dollar Club” verfünffachte sich auf 300 Mrd. Dollar.Auf der geschäftlichen Seite ist das schöne Bild des boomenden Valley noch weitgehend intakt. Unzählige Industrien sehen ihre traditionellen Geschäftsmodelle derzeit von Technologie-Start-ups gefährdet. Uber und Lyft mischen die Taxi-Branche auf, Airbnb die Hotelbranche. Firmen wie die jüngst an die Börse gegangenen Square und Stripe treiben die Bezahldienstleister zu Innovationen. Auf der Investorenseite hat die heile Welt derweil längst Risse erlitten. 2015 wurden trotz der rekordhohen Zahl milliardenschwerer Start-ups nicht einmal ein Sechstel aller US-Börsengänge von Technologiefirmen vorgenommen – so wenig wie zuletzt Mitte der 1990er Jahre vor dem ersten Internetboom. Und die Börsengänge, die zustande kamen, waren oft nicht einmal besonders erfolgreich.Das jüngste Beispiel ist Square. Der Bezahldienst, der Kleinunternehmern die Abrechnung von Kreditkartenzahlungen über Smartphones und Tablet-Rechner ermöglicht, hatte bereits die Preisspanne mit 11 bis 13 Dollar deutlich unter der letzten Bewertung angesetzt. Zugeteilt wurde zu 9 Dollar je Aktie. Zwar haben die Titel gleich am Tag der Erstnotiz kräftig an Wert gewonnen und notieren aktuell bei 11,90 Dollar. Die Marktkapitalisierung liegt mit rund 3,9 Mrd. Dollar aber noch immer mehr als ein Drittel unter dem Wert, den Wagniskapitalgeber Square im August 2014 zugebilligt hatten. Der im Frühjahr an die Börse gestürmte Kleinkunst-Onlinehändler Etsy hatte den Wert seiner Aktie am Tag der Erstnotiz bei einem Ausgabepreis von 16 Dollar zeitweise mehr als verdoppelt. Siebeneinhalb Monate später notieren die Titel bei 9,24 Dollar.Andere Start-ups sind zwar noch nicht an der Börse, die Wagniskapitalgeber müssen aber schon vor dem IPO kräftige Abschreibungen vornehmen. So hat BlackRock auf die Beteiligung am Onlinespeicheranbieter Dropbox unlängst fast ein Viertel abgeschrieben. 2014 war das Unternehmen mit 10 Mrd. Dollar bewertet worden. Investmentbanker halten es für ausgeschlossen, dass ein Börsengang derzeit auch nur annähernd diese Bewertung erreichen würde. Konkurrent Box Inc. hatte im Januar einen erfolgreichen Börsenstart. Die Aktie schoss am ersten Tag um gut zwei Drittel nach oben auf mehr als 23 Dollar. Aktuell notieren die Anteile allerdings mit 13,92 Dollar wieder unter dem Ausgabepreis. Damit wird das Unternehmen derzeit mit 1,7 Mrd. Dollar entsprechend dem knapp sechsfachen Jahreserlös bewertet. Beim gleichen Bewertungsansatz wäre Dropbox Schätzungen zufolge nicht einmal 3,5 Mrd. Dollar wert.Die schlechteren Exit-Optionen schlagen sich mittlerweile auch in den Finanzierungsrunden nieder. Der Onlinehändler Jet.com, der gerade eine Finanzierungsrunde über 500 Mill. Dollar zu einer Bewertung von 1,35 Mrd. Dollar abgeschlossen hat, soll im Sommer laut “Wall Street Journal” eine Bewertung von 3 Mrd. Dollar angepeilt haben. Laut Venture-Capital-Managern hat die Kurskorrektur erst im dritten Quartal begonnen und dürfte für einige Investoren und Start-ups noch sehr schmerzhaft werden. Das Problem für die Branche ist, dass die Bewertungen so hoch getrieben wurden, dass sie kaum noch Fehlertoleranz aufweisen. Aktieninvestoren würden sich beim IPO zu aktuellen Bewertungen eine Menge Risiko ins Portfolio legen ohne entsprechende Chance auf Kurssprünge. Der Best Case ist bereits eingepreist. Im Silicon Valley steht damit vielleicht die größte Bewertungskorrektur seit dem Platzen der Internetblase an. Wagniskapitalgeber und Start-ups haben sich in eine exklusive Sackgasse manövriert. Das Gute daran: Kommt es zum Crash, betrifft es diesmal weit weniger Marktteilnehmer.——–Von Sebastian SchmidDie Zahl der Technologie-IPOs in den USA nimmt ab. Die Venture-Capital-Szene erkennt erst langsam, dass die Bewertungen zu hoch getrieben wurden.——-