KommentarVilleroy & Boch

In Generationen denken

Für rund 430 Mill. Euro übernimmt Villeroy & Boch das operative Geschäft der belgischen Ideal Standard. Kritiker dürften sich an dem derzeit schwierigen Marktumfeld für baunahe Branchen stoßen, doch langfristig dürfte der attraktive Zukauf reüssieren.

In Generationen denken

Villeroy & Boch

In Generationen denken

Von Martin Dunzendorfer

Villeroy & Boch macht einen Riesensatz nach vorn. Der Badausstatter und Anbieter von Produkten "für den gedeckten Tisch" (Bestecke, Geschirr etc.) wagt im 275. Jahr seines Bestehens die größte Akquisition der Firmengeschichte. Für rund 430 Mill. Euro wird das operative Geschäft des belgischen Wettbewerbers Ideal Standard übernommen; dadurch wird das Sortiment um Sanitärkeramik, Armaturen sowie Dusch- und Badewannen erweitert. Auf Basis der Vorjahreszahlen spränge der Konzernumsatz von knapp 1 Mrd. auf 1,7 Mrd. Euro. Skeptiker mögen sogleich einwenden, dass das Umfeld angesichts des dramatischen Rückgangs im Baugewerbe – von dem die Saarländer als Produzenten von Waschbecken, Toiletten, Badarmaturen und -möbeln sowie Wannen in hohem Maße abhängen – negativ ist und sich damit ein Zukauf verbietet. Doch bei Villeroy & Boch denkt man anders, nämlich strategisch. Ein Wort, das zwar viele Manager und Investoren im Munde führen, nach dem sie aber nur selten handeln.

Familienunternehmen agieren anders

Ja, auch bei Villeroy & Boch sind derzeit Produktionskapazitäten ungenutzt, wie der Vorstandsvorsitzende Frank Göring vor Medienvertretern einräumte. Auch was die Lage des Baugewerbes angeht, macht sich der CEO nichts vor: "Wir haben selten einen so starken Rückgang gesehen." Doch dann fügt er mit Blick auf die Zukunft etwas hinzu, was den Unterschied zwischen dem Handeln eines Familienunternehmens und dem eines auf Quartalsergebnisse fixierten Konzerns deutlich macht: Die Krise im Bau "mag noch ein oder zwei Jahre so weiterlaufen, aber wir sind ein Generationenunternehmen – da spielen ein, zwei Jahre keine so große Rolle." Die derzeit brachliegenden Kapazitäten würden mittelfristig wieder gebraucht.

Das ist die wahre Natur strategischen Denkens: Übernahmen werden nicht gestemmt, wenn sich die Weltwirtschaft in einem Goldlöckchen-Status befindet, das Zielunternehmen gerade mehr Geld verdient als je zuvor und auch sonst alles rund läuft, so dass der Preis exorbitant hoch ist, sondern wenn sich die Gelegenheit bietet, für eine attraktive Summe ein Target zu schlucken, das mit vorübergehenden, aber nicht strukturellen Problemen zu kämpfen hat, das aber in Zeiten, in denen es der Branche wieder besser geht, signifikant zum Konzerngewinn beiträgt. Von der regionalen Positionierung, dem Produktmix und dem Vertrieb her scheint Ideal Standard eine nahezu ideale Ergänzung für Villeroy & Boch zu sein. Ein Kannibalismuseffekt ist nahezu ausgeschlossen. Den Mettlachern dürfte ein Super-Deal gelungen sein.

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