S&P 500

Indizes brauchen Vertrauen

S&P sollte die Nachvollziehbarkeit ihrer Indexentscheidungen erhöhen, um sich vor dem Verdacht einer illegitimen Verquickung mit dem Rating-Geschäft zu schützen.

Indizes brauchen Vertrauen

Eine wissenschaftliche Studie hat für den Indexbetreiber S&P Global Inc. überaus unerfreuliche Erkenntnisse zutage gefördert. Die statistischen Untersuchungen legen den Verdacht nahe, dass die Aufnahme von Aktien in den S&P 500 käuflich sein könnte. Unternehmen, die Ratings von S&P erwerben, so der Befund der Autoren, besitzen eine höhere Chance darauf, dass ihre Aktien in den Index aufgenommen werden. Auch nehmen Käufe von S&P-Ratings seitens potenzieller Indexkandidaten in Phasen, in denen sich – etwa durch eine Fusion – ein Fenster für eine Aufnahme öffnet, zu. Offensichtlich sind diese Unternehmen nach Einschätzung der Autoren somit auch der Auffassung, ihre Indexchancen durch die Zahlung für Ratings verbessern zu können.

Die Studie liefert keinen hundertprozentigen, mit entsprechenden Ton- oder schriftlichen Dokumenten unterlegten Nachweis dafür, dass S&P bewusst Unternehmen, die für Ratings zahlen, zulasten geeigneterer Kandidaten für den Index bei der Aufnahme bevorzugt. Auch hat S&P die Studie als fehlerhaft bezeichnet und betont, dass Rating- und Indexgeschäft streng voneinander getrennt betrieben würden. Allerdings ist S&P den Nachweis der vermeintlichen Fehler der Studie schuldig geblieben. Die Angelegenheit dürfte für den Indexbetreiber wohl noch nicht erledigt sein.

Indizes, an denen sich Investoren ausrichten, sind von deren Vertrauen in ihre Integrität und ihren methodisch sauberen, nach klaren Regeln und transparent erfolgenden Betrieb abhängig. Dieses Vertrauen ist jetzt angeschlagen, auch wenn eben der eindeutige Nachweis noch nicht geführt ist, dass ein besser geeignetes Unternehmen Y draußen bleiben musste, weil es anders als eine Firma X nicht für S&P-Ratings zahlte. Das eigentliche Problem – und möglicherweise auch ein Lösungsansatz – ist eine bei S&P ausgeprägte Unklarheit, nach welchen Kriterien über Indexzugehörigkeit, -aufnahme und -entnahme entschieden wird, ein Nebeneinander von veröffentlichten offiziellen Kriterien wie der Marktkapitalisierung oder schwarzen Zahlen in den jeweils zurückliegenden vier Quartalen und freiem Ermessen. Die Ergebnisse der Studie sind wenig schmeichelhaft. Nur 62% des Mitgliedschaftsstatus (Zugehörigkeit undNicht-Zugehörigkeit) und verschwindend geringe 3% der Indexaufnahmen des Untersuchungszeitraums von 1980 bis 2018 sind den Autoren zufolge anhand der offiziellen Kriterien nachvollziehbar. Freies Ermessen spielt somit eine substanzielle Rolle bei den Indexentscheidungen, und die geringe Nachvollziehbarkeit wurde zuletzt angesichts der Hinauszögerung der Aufnahme des Elektroautobauers Tesla offenbar.

S&P sollte im eigenen Interesse überlegen, die Nachvollziehbarkeit bzw. Transparenz ihrer Entscheidungen zu erhöhen, um erst gar nicht in den Verdacht der unkorrekten Verquickung von Rating-Geschäft und Indexentscheidungen zu geraten. Die Deutsche Börse kann ein Lied davon singen. In der Vergangenheit, als noch der Arbeitskreis Indizes über Indexveränderungen beriet und entschied, wurde gelegentlich der Verdacht der Mauschelei geäußert. In unguter Erinnerung ist ein Fall, in dem MLP nicht in den Dax aufgenommen wurde. Kurze Zeit später ließ sich ein Mannheimer Staatsanwalt in Frankfurt blicken, der dem Verdacht nachging, Mitglieder des Arbeitskreises hätten aus der Sitzung heraus die Aktienhändler ihres Hauses informiert, dass MLP nicht aufgenommen wird, so dass diese die Aktie verkaufen konnten.

Zwar ist nichts dergleichen geschehen, wie die Handelsaktivitäten in dem Titel während der Sitzung eindeutig belegen. Aber das potenzielle Image-Risiko trat ein weiteres Mal zutage. Dieses Risiko hat die Deutsche Börse mittlerweile beseitigt. Ein Computer errechnet anhand der für jeden einsehbaren Kriterien die Indexveränderungen, die dann auch so beschlossen werden; die jüngste Indexreform, durch die die Streubesitzkapitalisierung das maßgebliche Kriterium ist, hat die Nachvollziehbarkeit zusätzlich erhöht. Von vermeintlichen Index-Mauscheleien ist schon seit langem nichts mehr zu hören.

S&P muss aber nicht in die Ferne schweifen, um sich anzuschauen, wie es besser gehen kann. Die Autoren jener Studie haben auch den Wettbewerber Russell unter die Lupe genommen. Beim Index Russell 1000 konnten sie immerhin 93% des Indexstatus und 75% der Indexaufnahmen des Zeitraums von 1996 bis 2016 anhand der von Russell veröffentlichten Regeln nachvollziehen.

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