Infrastrukturprogramm und Steuerreform fordern Biden
Von Peter De Thier, Washington
Die Impfkampagne gegen das Coronavirus läuft in den USA auf Hochtouren, und Präsident Joe Biden hat den Amerikanern in Aussicht gestellt, dass sie am Nationalfeiertag am 4. Juli mit Grillfesten und Feuerwerk die Rückkehr zur Normalität feiern können. Seine jüngsten Etappensiege, nämlich Erfolge im Kampf gegen die Pandemie und kürzlich die Verabschiedung des 1,9 Bill Dollar schweren Konjunkturpakets, haben den Präsidenten offenbar beflügelt. Nun wendet er sich den nächsten Megaprojekten zu: massiven Investitionen in die Infrastruktur und deren Finanzierung durch höhere Steuern.
Mit einem 3 Bill. Dollar teuren Ausgabenprogramm, das durch die ersten Steuererhöhungen seit 1993 gegenfinanziert werden soll, will Biden die Infrastruktur modernisieren und Investitionen in erneuerbare Energien vorantreiben. Zugleich geht es dem Weißen Haus darum, mit einem höheren Spitzensteuer- und Unternehmenssteuersatz das Steuersystem gerechter zu machen und Fortschritte beim Abbau des wachsenden Schuldenbergs zu erzielen. Obwohl Einzelheiten noch längst nicht festgezurrt sind, haben Vertreter der republikanischen Opposition bereits Einwände erhoben. Sie werden versuchen, zumindest die steuerpolitischen Pläne zu blockieren.
Ökonomisch und unter verteilungspolitischen Gesichtspunkten sind die Ausgabenprogramme durchaus verdienstvoll. Nach Schätzungen des Ingenieursverbands American Society of Civil Engineers (ASCE), der die US-Infrastruktur mit seiner zweitschlechtesten Note „schwach und risikoanfällig“ versehen hat, drohen wegen des damit verbundenen Produktivitätsverlustes bis 2025 2,5 Millionen Jobs wegzubrechen. Auch könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um bis zu 3,9 Bill. Dollar geringer ausfallen. Umso mehr Motivation für Biden also, wie geplant kräftig in Straßen, Brücken, das Schienennetz für den Fernverkehr und Breitbandzugang in ärmeren und ländlichen Gegenden zu investieren.
Einkommensgefälle wächst
Ökonomischen Nutzen versprechen sich die Demokraten auch von dem Übergang zu grünen Energien. Biden glaubt, auf diesem Wege langfristig 10 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen zu können. Diese würden besser bezahlt sein als in der fossilen Energieindustrie und somit einen Beitrag zum Abbau der Einkommensungleichheit leisten, argumentiert das Weiße Haus. Nicht zuletzt würde die höhere Besteuerung wohlhabender Haushalte und gleichzeitige Entlastung ärmerer helfen, das immer größere Wohlstandsgefälle zu verringern. Laut Statistikamt Census Bureau landen mittlerweile 52% aller Einkommen auf den Konten der oberen 20%, während das untere Fünftel nur 3% ausmacht – die größte Diskrepanz in der Geschichte, und zwar mit weiter steigender Tendenz.
Politische Gegner kritisieren die Billionenpläne als unerschwinglich. So plädieren die Republikaner schon lange für eine Modernisierung der Infrastruktur, sprechen aber dennoch von „typisch verschwenderischer demokratischer Ausgabenpolitik“. Sie verweisen auf Zahlen des Congressional Budget Office (CBO), wonach die Defizitquote dieses Jahr mit 10,3% den zweithöchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg erreichen wird. Nur 2020 machte die Neuverschuldung mit 14,9% einen größeren Teil der Wirtschaftsleistung aus. Laut CBO wird die Verschuldungsquote auch ohne Bidens Ausgaben- und Steuerreform bis 2050 auf über 200% steigen und wird nach Ansicht vieler Ökonomen mit dem 3 Bill. Dollar teuren Paket schon deutlich früher einen Punkt erreicht haben, der ökonomisch nicht mehr tragfähig ist.
Auf Clintons Spuren
Gegensteuern will der Präsident mit den ersten Steuererhöhungen seit der Clinton-Ära. Wer mehr als 400000 Dollar pro Jahr verdient, soll bis zu 39,6% seines Einkommens an das Finanzamt abführen, heute liegt der Spitzensatz bei 37%. Beim Unternehmenssteuersatz, den Bidens Vorgänger Donald Trump von 35%, dem höchsten Satz aller Industriestaaten, auf 21% gesenkt hatte, will Biden einen Mittelweg beschreiten und diesen auf 28% hochschrauben. Auch will er die Kapitalerträge ab 1 Mill. Dollar als Einkommen besteuern, womit die bei der Veräußerung von Wertpapieren erzielten Gewinne einem deutlich höheren Satz unterliegen würden.
Zwar erwartet das liberale Forschungsinstitut Tax Policy Center, dass Bidens Steuerreform über zehn Jahre zusätzliche 2,1 Bill. Dollar in die Staatskasse spülen und somit auch zum Defizitabbau beitragen würde. Ökonomen bei der konservativeren Tax Foundation haben hingegen Probleme mit der höheren Besteuerung der Unternehmen. Nach Angaben des Instituts würde Bidens Reform dazu führen, dass US-Konzerne am effektiven Steuersatz gemessen wieder mehr an den Fiskus abführen müssten als alle anderen OECD-Länder (siehe Tabelle). Der effektive Steuersatz berücksichtigt neben der Besteuerung von Unternehmensgewinnen auch Abgaben an die einzelnen Staaten sowie jene, die auf Kapitalerträge und Dividenden erhoben werden.
Für einen taktisch interessanten Schachzug hat sich der Präsident entschieden, indem er das Infrastrukturprogramm und die steuerpolitischen Pläne über die Medien lancieren ließ, ehe die Einzelheiten feststanden und überhaupt klar ist, ob er diese in ein Gesetz bündeln oder getrennt ins Parlament bringen wird. Biden dürfte es darum gegangen sein, das politische Echo und somit die Durchführbarkeit der Vorhaben zu prüfen.
Dabei haben die Republikaner klar durchblicken lassen, dass sie bei den Infrastrukturinvestitionen voraussichtlich an Bord sind. Von Steuererhöhungen wollen sie aber nichts wissen. Die Demokraten müssten diese, ähnlich wie das jüngste Konjunkturpaket, mit Hilfe einer Ausnahmeregelung („reconciliation“) mit einfacher Mehrheit durchsetzen. Für Biden ein klares Signal, dass zwei getrennte Entwürfe deutlich bessere Aussichten auf Erfolg haben als ein umfassendes Gesetzeswerk.
Besteuerung von Firmen und ihren Aktionären | |
Land | Steuerquote in % |
USA – gemäß Biden-Plan | 62,7 |
Irland | 57,1 |
Korea | 56,7 |
Kanada | 55,4 |
Frankreich | 55,1 |
Dänemark | 54,8 |
Portugal | 50,7 |
Belgien | 50,3 |
Großbritannien | 49,9 |
Israel | 48,4 |
Deutschland | 48,4 |
USA – Status quo | 47,5 |
Italien | 43,8 |
Niederlande | 43,8 |
Spanien | 42,3 |
Quelle: Tax Foundation, OECDBörsen-Zeitung |