Investoren unterschätzen Krise bei US-Gewerbeimmobilien
Gewerbeimmobilien
Unterschätzte Krise
Die Gewerbeimmobilien-Krise bedroht die Stabilität des Billionenmarkts für US-Kommunalanleihen.
Von Alex Wehnert
Die Krise am Gewerbeimmobilienmarkt der Vereinigten Staaten birgt Gefahren, die viele Investoren derzeit unterschätzen. Denn die hohe Leerstandsquote und der Preisverfall in amerikanischen Metropolen lasten nicht nur unmittelbar auf den angeschlagenen Kreditportfolios der US-Finanzinstitute – ein Risikofaktor gerade für regionale Geldhäuser. Die Probleme bei Gewerbeimmobilien bedrohen vielmehr auch die Stabilität des 4 Bill. Dollar schweren Markts für US-Kommunalanleihen.
Belastung für kommunale Budgets
Denn amerikanische Städte und Landkreise beziehen im Schnitt mehr als 60% ihrer Einnahmen aus der Grundsteuer. Ein anhaltender Rückgang der Immobilienbewertungen droht also noch erhebliche Belastungen für die kommunalen Budgets nach sich zu ziehen, die aufgrund steigender Kosten aus langfristige Pensions- und Rentenleistungen ohnehin unter Druck stehen. Dies dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Kreditqualität haben. Downgrades mehrerer Großstädte mit hoher Abhängigkeit vom Büromarkt gelten damit als wahrscheinlich. Für Investoren, die Municipal Bonds als zweiten großen sicheren Anlagehafen neben dem Staatsanleihesegment anzusteuern pflegen, sind das bedenkliche Aussichten.
Dass die Büro-Belegungsquote im Durchschnitt zehn führender Metropolen laut dem Datendienstleister Kastle gerade erst knapp über die Marke von 50% zurückgekehrt ist, reicht schon aus, um den Wert von Gewerbeimmobilien bedeutend zu drücken. Betroffen sind dabei nicht nur die West- und Ostküste, sondern auch Texas. Und dies, obwohl die Angestellten in dem Südstaat schneller zurück an die angestammten Arbeitsplätze drängen als andernorts. Daran zeigt sich, dass der Homeoffice-Trend möglicherweise gar nicht der zentrale Auslöser der Gewerbeimmobilienkrise ist, sondern vielmehr das Überangebot an Büroraum.
Default-Quote steigt
Hinzu kommt die angespannte Liquiditätssituation der Vermieter. Im laufenden Jahr sind mit der Allianz-Tochter Pimco und dem Assetmanager Brookfield führende Adressen dem Zinsdienst auf mitunter milliardenschwere Immobilienkredite nicht mehr nachgekommen. Im gesamten Büro-Segment ist die Default-Quote laut dem Datendienstleister Trepp im August noch einmal um 11 Basispunkte auf 5,07% in die Höhe geschossen.
Auf den Markt rollen derweil noch bedeutende Herausforderungen zu: Laut dem Vermögensverwalter American Century müssen über die nächsten drei Jahre Gewerbeimmobilienkredite im Volumen von rund 1,5 Bill. Dollar refinanziert werden. Dabei werden die Schuldner allerdings höhere Zinsen in Kauf nehmen müssen, da die Federal Reserve ihren Leitsatz auch über das Ende ihres aktuellen Restriktionskurses hinaus noch länger auf beachtlichen Niveaus belassen dürfte. Der Druck auf die Gewerbeimmobilienpreise ist also kein kurzfristiges Phänomen, das sich auflöst, sobald Angestellte wieder in die Büros zurückkehren.
Nun lässt sich zwar argumentieren, dass viele Metropolen auf robusten Rücklagen sitzen. Das Reservelevel der zehn bevölkerungsreichsten US-Städte lag 2022 im Median bei 27% der jährlichen Aufwendungen. Dass beruhigende Stimmen im Markt aber auf solche Statistiken aus ferner Finanzmarktvergangenheit zurückgreifen müssen, veranschaulicht ein zentrales Problem. Denn Kommunalanleihen gelten zwar als hochsicher, das Segment ist aber vergleichsweise intransparent.
Kaum belastbare Informationen
Hier treten zwar rund 35.000 kommunale Regierungen als Emittenten auf, belastbare Finanzinformationen sind aber nur recht selten verfügbar. Viele Emittenten sind nach einer ersten Emission oft jahrelang nicht am Markt aktiv. Damit bleiben die jährlichen Finanzberichte für viele Investoren die einzigen unabhängig geprüften Informationsquellen. Und bei der Vorlage dieser Finanzberichte sind auch zahlreiche große Städte wie New Orleans zunehmend säumig geworden, mitunter stehen sie Investoren erst weit über 100 Tage nach Fristablauf zur Verfügung. Diese Intransparenz droht dazu beizutragen, dass zahlreiche Anleger noch von den Auswirkungen der Gewerbeimmobilienkrise und Defaults am Municipal-Bond-Markt überrascht werden.