Italienisches Rätsel
ProSiebenSat.1
Italienisches Rätsel
Von Joachim Herr
Media for Europe bereitet ein Übernahmeangebot für ProSiebenSat.1 vor. Die Europa-Strategie des italienischen Großaktionärs ist undurchsichtig.
Kurz nach Ostern könnte es so weit sein: Dann ist mit dem Übernahmeangebot von Media for Europe (MFE) für ProSiebenSat.1 zu rechnen. Zwischenzeitlich gab es Spekulationen, das italienische Unternehmen könnte die Ende März angekündigte Offerte für den deutschen Fernseh- und Streaming-Konzern zurückziehen. Doch mittlerweile überwand die Beteiligung von MFE die Schwelle von 30%. An dem Angebot dürfte kein Weg mehr vorbeiführen.
Die Italiener bieten den gesetzlichen Mindestbetrag von 5,74 Euro je Aktie. Sie wollen so billig wie möglich die Kontrolle über das begehrte Ziel erlangen. Mit dem Überschreiten der 30% können sie danach nach Belieben aufstocken – ohne den anderen Aktionären ein Pflichtangebot unterbreiten zu müssen. Das von der Familie Berlusconi beherrschte Unternehmen, das sich einst Mediaset nannte, hätte freie Hand mit ProSiebenSat.1.
Vages Konzept
Das Angebot erscheint unattraktiv – auf den ersten und auch den zweiten Blick. Die Aktionäre der seit 1997 börsennotierten Gesellschaft stehen vor der Frage, ob MFE mit der Idee eines europäischen Senderverbunds den Wert von ProSiebenSat.1 in den nächsten Jahren steigern kann. Dann lohnte es sich, die Aktien nicht anzudienen. Bisher bleibt das Management von MFE jedoch im Vagen, wie signifikante Synergien einer solchen Mediengruppe entstehen könnten.
MFE verspricht sich von einer Übernahme von ProSiebenSat.1 einen zusätzlichen Betriebsgewinn von mehr als 200 Mill. Euro im Jahr. Gelingen soll das zum einen mit geringeren Kosten dank einem gemeinsamen Einkauf – auch von Programminhalten – und einer gemeinsamen Technologie. Zum anderen stellt MFE zusätzlichen Umsatz im Werbegeschäft in Aussicht. Eine paneuropäische Werbeplattform mit einer höheren Reichweite wäre aus ihrer Sicht attraktiver für Kunden.
Kooperation mit RTL
In der Werbevermarktung erscheinen allenfalls kleinere Effekte möglich. Multinationale Kunden wie Ferrero und Procter & Gamble haben ohnehin Budgets für einzelne Länder. Eine Zusammenarbeit kann sinnvoll sein – aber eher auf nationaler Ebene: ProSiebenSat.1 und RTL Deutschland machen es vor. Mit Kooperationen lassen sich auch ohne eine Übernahme Vorteile auf der Kostenseite nutzen, etwa für IT und Technologie.
Seit Jahren wirbt MFE-Vorstandschef Pier Silvio Berlusconi für seine Idee, nur mit einem Bündeln der Kräfte ließe sich in Europa ein Gegengewicht zu den amerikanischen Riesen wie Netflix, Amazon, Disney und Apple schaffen. Doch es bleibt rätselhaft, ob und wie das gelingen könnte.
Sprachbarrieren trennen
Auf der Programmseite gibt es kaum Möglichkeiten, Verbundvorteile zu nutzen. Der Trend ist seit einigen Jahren, verstärkt mit lokalen Inhalten Zuschauer zu gewinnen und zu begeistern. ProSieben ist am erfolgreichsten mit Shows wie Heidi Klums immerwährender Suche nach Germany's next Topmodel und mit den Starmoderatoren Joko und Klaas. Nicht nur die Sprachbarriere trennt die Programme der Länder, auch nationale TV-Größen sowie kulturelle Unterschiede.
So erzielte ProSiebenSat.1 keine wesentlichen Synergien mit der SBS-Gruppe in den Niederlanden, Belgien, Skandinavien und Osteuropa. Von 2007 bis 2012 gehörte diese zum Konzern. Seitdem haben sich die Märkte freilich verändert. Aber eine Entwicklung spricht sogar gegen eine Senderfamilie: US-amerikanische Filme und Serien haben ihre Zugkraft im TV-Programm längst verloren. Sie sind die Domäne der Streaming-Dienste von Netflix und Co., die globale Vorlieben der Zuschauer treffen müssen. Größenvorteile im Einkauf gibt es für die Europäer in diesem Segment nicht.
Warten auf eine bessere Konjunktur
Den Aktionären von ProSiebenSat.1 bieten sich unattraktive Optionen: ein Verkauf auf dem aktuellen Kursniveau, das leicht über der Offerte von MFE liegt, oder dabeibleiben und sich auf das undurchsichtige Europakonzept des Großaktionärs einlassen. Auf eine Erholung der Konjunktur und ein besseres Werbegeschäft zu warten, ist wohl der beste Weg. Das wird dem Aktienkurs wie in früheren Jahren Auftrieb geben.