Im BlickfeldItalien

Italiens Banken stellen deutsche und französische Institute in den Schatten

Italiens Banken haben beim Stresstest des europäischen Bankenregulierers EBA sehr gut abgeschnitten und für das erste Halbjahr Rekordgewinne vorgelegt. Das weckt Begehrlichkeiten der Politik. Rom plant eine Sondersteuer auf die "Übergewinne".

Italiens Banken stellen deutsche und französische Institute in den Schatten

Italiens Banken
sind stark wie nie

Hohe Gewinne und gute Ergebnisse der Institute im Stresstest wecken Begehrlichkeiten des Staates

Von Gerhard Bläske, Mailand

Erfolg erweckt Neid. Kaum hatten Italiens Banken für das erste Halbjahr Rekordgewinne verkündet, schlug die Regierung in Rom zu. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion verkündete sie am Vorabend der Sommerpause eine Strafsteuer auf „Übergewinne“ aufgrund der hohen Zinsen. Damit sorgte Rom für einen massiven Kurs-, vor allem aber einen immensen Vertrauensverlust der Investoren ausgerechnet in einem Moment, in dem die Konjunktur auch in Italien lahmt. Mit der Maßnahme könnte Rom die ohnehin zurückgehende Kreditvergabe weiter schwächen und die Krise befördern. Daran dürften auch hektische Korrekturen, die die Abgabe nun deckeln, wenig ändern.

Manche Beobachter geben den vor Selbstbewusstsein strotzenden Banken eine Mitschuld an der Entwicklung – auch weil sie die höheren Zinsen zwar bei den Krediten, nicht aber auf den Girokonten weitergegeben haben. Vor diesem Hintergrund ist es noch populärer als sonst, Banken zu bestrafen. Denn die sechs größten Institute des Landes, die zusammen 60% der Bilanzsumme des Sektors repräsentieren, hatten im ersten Halbjahr ihre Nettogewinne gegenüber dem Vorjahr um 60% auf 11 Mrd. Euro gesteigert. Haupttreiber waren die Zinsüberschüsse, die um durchschnittlich 56% auf 19 Mrd. Euro wuchsen. Die meisten Banken reduzierten auch ihre Kreditrisikovorsorge – um durchschnittlich 75% auf 1,5 Mrd. Euro, allen voran Unicredit. Unicredit, BPM und Monte dei Paschi di Siena (MPS) senkten auch die Kosten stark, während Mediobanca und Intesa Sanpaolo Personal aufbauten und expandierten. Die Aktienkurse der Banken, die an der Mailänder Börse stark überrepräsentiert sind und für etwa ein Drittel des Marktes stehen, waren bis zur Ankündigung der Steuer am Montag kräftig gestiegen – allen voran der Kurs der HVB-Mutter Unicredit, die in Bezug auf die Kapitalisierung nun annähernd das Niveau von Intesa Sanpaolo erreicht.

Schadenfreude

Mit „Schadenfreude“ registrierte die Finanzzeitung „Milano Finanza“ – dabei den deutschen Begriff benutzend –, dass die zwölf italienischen Institute, die beim jüngsten Stresstest von der europäischen Bankenregulierung EBA geprüft wurden, deutlich besser abschnitten als französische Banken und ihre Kapitalquote binnen zwei Jahren von durchschnittlich 8,6 auf 11,6% erhöhen konnten. Auf besondere Genugtuung stieß, dass gleich drei deutsche Banken vergleichsweise schlecht performten und die „deutschen Lehrmeister“ eine Lektion erteilt bekamen.

Alessandra Perazzelli, Vize-Generaldirektorin der Banca d`Italia, hebt hervor, wie „robust und stabil“ die italienischen Banken seien, wobei die genossenschaftlichen Banken Cassa Centrale Banca (CCB) und Iccrea noch vor Unicredit die Rangliste anführen. „Die Zeit, in der italienische Banken hinter denen anderer Länder rangierten, ist vorbei“, sagt Perazzelli. „Die Banken sind bestens gerüstet, um schwierige Perioden zu überstehen“, urteilt auch Corrado Passera, Ex-Minister und CEO der Online-Bank Illimity.

Noch vor wenigen Jahren mussten Banken vom Staat gerettet werden, so Monte dei Paschi. Andere wie Intesa Sanpaolo konnten zu Vorzugsbedingungen auf Steuerzahlerkosten andere Institute übernehmen. Die Regierung will nun die Früchte ihrer damaligen Hilfen ernten und die Gewinne der Banken heranziehen, um die geplanten Steuersenkungen zu finanzieren sowie in Not geratenen Kreditnehmern mit Darlehen zu variablen Zinssätzen helfen.

Rein ökonomisch ist die Steuer zumindest für große Institute wie Unicredit, Intesa Sanpaolo oder die Investmentbank Mediobanca wenig problematisch. Sie sind weniger stark von den Zinsen abhängig, haben diversifizierte Geschäftsmodelle und können diese umbauen. Sie investieren auch in den Ausbau ihrer Vermögensverwaltung, wo angesichts des hohen Privatvermögens der Italiener von 11.000 Mrd. Euro, das überwiegend schlecht angelegt ist, großes Potenzial schlummert. Dabei setzen einige Banken wie Mediobanca auch auf kleinere Übernahmen, andere wie Intesa Sanpaolo eher auf den Ausbau der eigenen Kapazitäten und die HVB-Mutter Unicredit auf Partnerschaften, etwa mit dem Vermögensverwalter Azimut. Ähnlich gehen sie im Versicherungsgeschäft vor: Intesa Sanpaolo hat, auch durch Übernahmen, ihre eigenen Kapazitäten deutlich erweitert, Unicredit arbeitet eng mit der Allianz zusammen, BPM mit Crédit Agricole.

Doch kleinere Institute, die stärker von den Zinsen abhängen, könnten Probleme bekommen. In Spanien, wo es auch eine Sondersteuer gibt, sind kleinere Banken davon ausgenommen. Vor allem aber droht ein unkontrollierbarer Vertrauensverlust bei Investoren in den Finanzplatz.

Stefano Caselli, Dekan der renommierten Mailänder Bocconi School of Management, rechnet mit einer weiteren nationalen Konsolidierung des Bankensektors. Dabei ist die Zahl der selbständigen Institute bereits in den vergangenen Jahren massiv auf nur noch etwa 100 geschrumpft. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die zu 64% staatliche Monte dei Paschi, die bis 2024 privatisiert werden muss: Doch es gibt keine Interessenten für Italiens fünftgrößtes Institut. Die Bank hat im Halbjahr die für 2026 angepeilten Zielwerte übertroffen. Der Nettogewinn stieg dank der Beinahe-Verdoppelung des Zinsüberschusses und des massiven Personalabbaus nach der Kapitalerhöhung auf 619 (i.V. 27) Mill. Euro.

Kreditklemme möglich

Wie MPS korrigierten auch fast alle anderen Institute ihre Jahresprognosen nach oben. Doch es gibt auch Risiken. Alberto Villa von Intermonte glaubt, dass sich die Zahl der Kreditausfälle, die sich zuletzt auf historisch niedrigem Niveau befand, möglicherweise verdoppeln könnte. Auch insofern ist der Zeitpunkt für die Einführung der Sondersteuer, die noch vom Parlament verabschiedet werden muss, unglücklich gewählt. Passera hält sogar eine Kreditklemme für weniger gut bewertete Unternehmen für möglich. Und die Ratingagentur Moody´s rechnet mit deutlichen Ertragseinbußen.

Die Gewinne von Italiens Banken, hier die Zentrale von Unicredit in Mailand, sind im ersten Halbjahr in die Höhe geschossen.