LeitartikelItaliens Bankensteuer

Melonis Rohrkrepierer

Die Pläne der italienischen Regierung, mit einer Sondersteuer auf "Bankenübergewinne" Wahlversprechen zu erfüllen, sind zum Rohrkrepierer geworden. Die Banken erhöhen lieber ihre Kapitalpuffer. Die Einnahmen für den Staat dürften überschaubar bleiben, und es wurde viel Vertrauen verspielt.

Melonis Rohrkrepierer

Die italienischen Großbanken Unicredit, Intesa Sanpaolo und Mediobanca haben für das dritte Quartal Rekordgewinne vermeldet und ihre Jahresprognosen angehoben. Sie profitieren von hohen Zinsüberschüssen, Kostensenkungen und einer niedrigen Kreditrisikovorsorge und gehören zu Europas rentabelsten Banken.

Für Italiens Premierministerin Giorgia Meloni dürfte die positive Entwicklung jedoch einen bitter-süßen Geschmack haben. Sie wollte gerade die hohe Ertragskraft der Institute anzapfen, um trotz der Riesenschulden des Landes Wahlversprechen erfüllen zu können. Doch daraus wird nichts. Und das, obwohl die auch von Analysten so nicht erwarteten Ergebnisse auf dem Papier zu Milliardeneinnahmen aus der Sondersteuer aus „Übergewinnen“ der Institute führen müssten. Die Banken machen aber völlig zu Recht lieber von der Alternative Gebrauch, ihre Kapitalpuffer für schlechte Zeiten zu erhöhen, als Haushaltslöcher zu stopfen. Und dies auch ohne negative Folgen für ihre Dividendenpolitik.

Die Steuer, die Meloni – ohne EZB, Banken oder Koalitionspartner vorher zu informieren – im stillen Kämmerlein selbst ausgeheckt hatte, ist ein Rohrkrepierer.

Meloni aber schaut in die Röhre. Die Steuer, die sie – ohne EZB, Banken oder Koalitionspartner vorher zu informieren – im stillen Kämmerlein selbst ausgeheckt hatte, ist ein Rohrkrepierer. Die völlig überraschende Maßnahme war zwar bei vielen Wählern und auch bei ihren Parteifreunden sehr populär. Denn mit den erwarteten Einnahmen von etwa 3 Mrd. Euro sollten Steuersenkungen und Vorruhestandsregelungen finanziert werden, und wenn die "bösen Banken" bluten müssen, ist die Zustimmungsrate stets hoch.

Wäre es doch so einfach! Doch für die Lösung komplexer Probleme gibt es keine einfachen Antworten und keine simplen Wunderlösungen. Meloni, die zunehmend nervös und überfordert wirkt, hat ihr Ohr zu sehr an einem engen Kreis langjähriger Vertrauter und Familienmitglieder ohne fachliche Kompetenz. Nachdem sie in den ersten Monaten vergleichsweise vorsichtig und klug agiert hat, reagiert sie angesichts der wachsenden Ungeduld ihrer Anhänger, die enttäuscht sind, weil Wahlversprechen nicht umgesetzt werden, populistisch und berücksichtigt die enge Verflechtung Italiens mit den Märkten und anderen Ländern nicht in ausreichendem Maße.

Sie rechnete offenbar nicht mit den entsetzten Reaktionen von Banken, Europäischer Zentralbank und Finanzmärkte. Die Kurse der Bankenaktien krachten massiv ein, und der Spread zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen stieg massiv – was nicht primär auf die Sondersteuer, wohl aber auf die generelle an der Zunahme staatlicher Eingriffe und populistischer Aktionen zurückzuführen war. Meloni ruderte zurück. Nach hektischen Nachbesserungen wurde die Maßnahme de facto ausgehöhlt.

Rom wartet nun mit Bangen auf das Urteil der Ratingagentur Moody’s am 17. November.

Doch das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Der Vertrauensverlust ist enorm. Das Misstrauen der Märkte ist zurück. Rom wartet nun mit Bangen auf das Urteil der Ratingagentur Moody’s am 17. November: Dort sind die Staatsanleihen derzeit nur eine Stufe über dem Ramschniveau eingestuft.

Einmal mehr zeigt sich, wie dünn das Eis ist, auf dem sich Italien bewegt, und wie schnell Vertrauen durch unbedachtes, inkompetentes und populistisches Verhalten verspielt ist. Mit der Sondersteuer, so wie sie ursprünglich konzipiert war, bestand die Gefahr, dass die italienischen Banken ihre Kreditvergaben weiter einschränken, ihr Engagement in Staatsanleihen reduzieren und selbst das Vertrauen der Märkte in die inzwischen so stabilen Institute verloren geht. Dieses Vertrauen aber zu verspielen und die Banken in einer wirtschaftlich fragilen Lage mit Sondersteuern zu belasten, ist grob fahrlässig.

Meloni täte gut daran, auf Alleingänge dieser Art künftig zu verzichten und im Hinblick auf die Reformen des Stabilitätspaktes oder des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auf Europa zuzugehen. Das ist im Interesse nicht nur Italiens, sondern auch Europas, das dem Land durch eine jahrelange Nullzinspolitik, Staatsanleihe-Aufkäufe und gigantische Mittel aus dem Europäischen Wiederaufbauprogramm immer wieder unter die Arme gegriffen hat: Denn die Gefahren und Risiken, die von Italien für Europa ausgehen, haben riesige Explosionskraft.

Italiens Bankensteuer

Melonis Rohrkrepierer

Italiens Banken erhöhen lieber ihre Kapitalpuffer, als Haushaltslöcher zu stopfen

Von Gerhard Bläske

Meloni schaut in die Röhre. Die Steuer, die sie im stillen Kämmerlein ausgeheckt hat, ist zum Rohrkrepierer geworden.

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