Jawort unter den goldenen Bögen
Notiert in Schanghai
Jawort unter den goldenen Bögen
Von Norbert Hellmann
Für „unkonventionelle“ Hochzeiten gibt es viele Formate, die Lifestyle-Präferenzen, Hobbys oder demonstrative Individualität reflektieren: Sporttaucher blubbern am Meeresgrund den Heiratsschwur, Kletterer steigen auf den höchstmöglichen Gipfel. Manche wollen auf der Waldlichtung ins Glück tanzen, andere haben genügend Knete, um eine Burg oder Hängebrücke zu mieten. Sich im Schnellrestaurant das Jawort zu geben und Hochzeitsgäste auch dort zu bewirten, bringt ebenfalls einen gewissen Lifestyle zum Ausdruck und macht den ganz besonderen Tag im Leben auf seine Weise unvergesslich.
Cheap but Cheerful
Im Englischen sagt man „cheap and cheerful“ als augenzwinkernde Anerkennung für kostengünstiges Entertainment, das sich lästiger Formalitäten und Gesellschaftszwänge, im Zweifelsfall aber auch jeglicher Romantik entledigt. Das Motto scheint in Chinas Liebesheiratswesen rasch Verbreitung zu finden, und zwar mit Betonung auf „cheap“. Die zu wirtschaftlich weniger verheißungsvollen Zeiten ins Heiratsalter gelangte Generation Z setzt neue Marker. In Sozialen Medien wie Xiaohongshu häufen sich Videoclips von Hochzeitsfeiern im Hause mit dem goldenen M, dem Brathuhn-Spezialisten KFC oder den Hot-Pot-Restaurants von Haidilao.
Neues Geschäftsmodell
Der Trend ist schnell zum Geschäftsmodell geworden. Die einschlägigen Ketten werben mit Hochzeitspaketen und warten mit geschultem Personal sowie neckischen Dekorationselementen auf. Zum kreativen Service gehört bei McDonald’s mittlerweile ein kunstvoll aus Chicken McNuggets gebastelter Hochzeitsstrauß. Beim Ringtauschzeremoniell zaubert der Gemahl das gute Stück dann vielleicht aus der roten Fritten-Packung hervor. Gratis-Cola für alle gilt sowieso. Für launige Hochzeitsfotos bieten sich angegliederte Mini-Kinderspielplätze mit bunten Rutschen und Schaukeln geradezu an.
Obacht Gesichtsverlust
Immer mehr junge Paare thematisieren nicht Romantikverlust, sondern fröhliche Kostenersparnis. Das kann durchaus zu einem Happy End führen, in jedem Fall aber schon einmal zu einem „Happy Meal“ für alle Anwesenden. Für die Fastfood-Hochzeit im kleineren Kreis braucht es einigen Mut und im Zweifelsfall verständnisvolle Eltern, die den Traditionsbruch nicht als gesellschaftlichen Gesichtsverlust und lebenslange Schande ansehen. Macht man hingegen alles richtig und wahrt die Form, droht junges Eheglück mit finanzieller Misere zu kollidieren.
Das gab es doch schon mal
Eine angemessene Hochzeit mit Hotelsaal, Luxusautokorso und alkohollastigem Bankett für eine Hundertschaft von Angehörigen kostet in Schanghai rund 300.000 Yuan (40.000 Euro). Das sind glatt zwei Jahresgehälter eines Mittelklasse-Verdieners. Für eine zünftige McWedding oder die Party im Hot-Pot-Laden mit 50 Gästen aber reicht ein Budget von 20.000 Yuan. In mancher Hinsicht hat die Chose sogar Tradition. Ende der 80er Jahre, als die ersten US-Fastfood-Ketten nach Schanghai kamen, waren Hochzeitsfeiern in Filialen von McDonald’s oder KFC der letzte Schrei und galten als alles andere als „cheap“.