KommentarKriminalität

Jeden Tag wird ein Geldautomat gesprengt

Jeden Tag fliegt in Deutschland statistisch gesehen ein Geldautomat in die Luft. Banken und Sparkassen versuchen mit Präventivmaßnahmen wie Vernebelungsanlagen, Wachdiensten oder reduzierter Bargeldhaltung gegenzusteuern.

Jeden Tag wird ein Geldautomat gesprengt

Sprengungen

Jeden Tag ein Geldautomat

Von Tobias Fischer

Jeden Tag explodiert statistisch betrachtet irgendwo in der Republik ein Geldautomat. 413 Mal allein im vergangenen Jahr. Nicht ausgelöste Sprengungen, den Einsatz von Brecheisen, hydraulischen Spreizern, Winkelschleifern und Schneidbrennern sowie plumpes Heraus- oder Abreißen hinzugerechnet, machten sich die Täter laut Bundeskriminalamt 660 Mal an Geldautomaten zu schaffen. Ein Zuwachs von 14% gegenüber 2021 und so oft wie nie seit Erhebung der Statistik im Jahr 2005.

Es kracht häufiger und heftiger

Doch es kracht nicht nur häufiger, sondern auch heftiger. Denn die Kriminellen greifen zusehends auf Festsprengstoffe zurück, statt Acetylen-Sauerstoff-Mischungen aus Gasflaschen zu entzünden. Die deutliche höhere Sprengwirkung führt zu größeren Schäden und erhöht die Gefahr für Leib und Leben. So wurden in einer Fechenheimer Filiale im Juni vier Geldautomaten gleichzeitig in die Luft gejagt, sagte der Vorstandschef der Frankfurter Sparkasse, Ingo Wiedemeier, in einer Pressekonferenz zum Thema.

Die meist aus den Niederlanden stammenden Serientäter gehören in der Regel zu Banden und gehen im Urteil der Polizei ebenso professionell wie skrupellos vor. Ohne Rücksicht auf Verluste verrichten sie demnach ihre Tätigkeit, und das möglichst schnell. Binnen weniger Minuten sei etwa ein Automat in Griesheim abgewickelt worden, erzählte Wiedemeier. Vom Aufhebeln der Tür bis zur ersten Explosion vergingen demnach gerade mal 65 Sekunden. Wenig später waren die Täter über alle Berge. In der Regel entfernen sie sich in hoch motorisierten Fahrzeugen mit Höchstgeschwindigkeit von den Tatorten. Diese liegen mittlerweile auch in Frankfurt und nicht mehr nur überwiegend auf dem flachen Land.

Vielfältige Schutzmaßnahmen

Die Banken versuchen sich der Beutezüge, von denen jeder einzelne den Tätern im Schnitt rund 100.000 Euro einbringt, mit Geldeinfärbesystemen, nächtlichen Schließungen oder Wachdiensten zu erwehren, mit Videoüberwachung, Reduzierung des Bargeldbestandes und Vernebelungsanlagen. Auch die Aufgabe von besonders gefährdeten Standorten wird erwogen und ist auch schon vorgekommen.

Das Sprengungsrisiko dürfte also auch zu Standortschließungen beitragen. Manches Institut mag es als Vorwand vorschieben, um sich des einen oder anderen Standorts zu entledigen. Doch deshalb ist die Bargeldversorgung kaum gefährdet. Tatsächlich ist die Zahl der Geldautomaten laut Genossenschaftsverband BVR von 2012 bis 2022 deutschlandweit zwar um knapp 7.400 auf 52.600 gesunken, im Vergleich mit 2002 aber um mehr als 2.000 gestiegen.

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