Frankfurt

Katzen­poster oder Immendorff

Der Bundesbank-Mitarbeiter hat die Qual der Wahl: Katzenposter oder zeitgenössische Kunst? Beides darf an die Wand. Ein Teil der Büroausstattung – pardon: Kunstsammlung der Bundesbank – ist zu Gast im Museum Giersch,

Katzen­poster oder Immendorff

Kunst ist so schön relativ. Irgendwie kann doch jeder für sich selbst bestimmen, was er für Kunst hält und sich gerne ins Büro hängt. Ob das Gegenüber das dann versteht oder nicht, ist unwichtig. Das Katzenposter über dem Schreibtisch ist also völlig ok. Auch wenn es genauso gut ein Baselitz, Immendorff oder Götz sein könnte. Oder eine Baer, Imhof oder Wasmuht. Wo diese Vielfalt herrscht? In der Deutschen Bundesbank.

Deren Mitarbeiter haben die Wahl, sich für den Schmuck des eigenen Büros nach Lust und Laune aus der umfangreichen Kunstsammlung zu bedienen. Die Auswahl ist dabei groß. Seit Mitte der 1950er Jahre sammelt die Bundesbank – bzw. ihr Vorläufer, die Bank deutscher Länder – Kunst. Mittlerweile umfasst die Sammlung mehrere Tausend Werke und gibt damit einen Einblick in die kunstgeschichtlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik. Denn gekauft wird Zeitgenössisches. Einerseits sollen auf diese Weise junge Künstler direkt in ihrer Arbeit unterstützt werden, andererseits sollen sich den Mitarbeitern durch die Auseinandersetzung mit der Gegenwartskunst neue Perspektiven und Themen jenseits des eigenen Fachgebiets erschließen. Außerdem sollte in den Anfangszeiten so auch in einem weiteren Sinn Toleranz und Offenheit gefördert werden.

Die Sammlung wird mit einem „moderaten Budget“,wie die bei der Bundesbank zuständige Kuratorin Iris Cramer erklärt, auch heute noch stetig erweitert. Gerne mit Werken von Künstlerinnen, dies aber nicht zwanghaft. Denn man ahnt es: Es herrscht immer noch ein gewisses Ungleichgewicht bezogen auf die Geschlechter der Künstler. Aufgeholt hat man bereits im Verhältnis Ost zu West. Dank der Hauptverwaltung in Sachsen und Thüringen, die sich seit den 1990er Jahren auf Werke von Kunstschaffenden aus dem Osten konzentriert. Denn nicht nur die Frankfurter Zentrale sammelt, auch die einzelnen Hauptverwaltungen, die vormaligen Landeszentralbanken.

Der kundige Frankfurter wird sich nun fragen, was mit den ganzen Gemälden, Installationen, Grafiken, Fotografien und sonstigen Arbeiten passiert, solange die Bundesbank-Zentrale an der Wilhelm-Epstein-Straße in den Bundesbank-Campus verwandelt wird. Nun, mancher Mitarbeiter, darunter auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel, verzichtet vom 8. Juli bis 8. Januar 2023 auf die Kunst im Übergangsquartier. Etwa 90 Werke aus der Sammlung vollziehen nämlich einen mehrfachen „Ortswechsel“ und sind unter diesem Titel zu Gast im Museum Giersch der Goethe-Universität. Prinzipiell war die Kunstsammlung auch zuvor zu sehen, durch Sicherheitsvorgaben aber eben nur eingeschränkt. Im MGGU nun kann auch die breite Öffentlichkeit problemlos in zehn Themenräumen der Bundesbank-Kunst frönen. Zwar an museumsüblich weißen Wänden – Filme und Fotos sowie der begleitende Katalog zeigen aber, wie die Kunst im Arbeitsalltag aussieht: Als Wandschmuck, genauso wie das Katzenposter neben Papierkorb und Feuerlöscher, unter dem Notausgangsschild oder über dem Sideboard.

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