Im BlickfeldRohstoffe

Platinproduzenten ist das Lachen vergangen

Die Produzenten von Platin und Palladium haben seit anderthalb Jahren nichts mehr zu lachen. Die anhaltenden Absatzprobleme vieler Autobauer und der laufende Arbeitskampf in der US-Autoindustrie belasten die Nachfrage. Das wirkt sich negativ auf die Metallpreise und die Aktienkurse großer Anbieter wie Amplats und Implats aus.

Platinproduzenten ist das Lachen vergangen

Platinproduzenten
ist das Lachen
vergangen

Platin und Palladium werden für Autokatalysatoren benötigt. Die Absatzprobleme vieler Autobauer und die Streiks in den USA belasten daher die Nachfrage.

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

Die Preise für Platin und Palladium haben seit Jahresanfang kräftig nachgegeben. Platin hat 16% an Wert verloren, Palladium sogar 38%. Hauptgrund für die Schwäche ist die enttäuschende Nachfrage aus der Autoindustrie, die wiederum eine Folge der schwachen Wirtschaftsentwicklung in vielen Ländern ist, die aus den vielen Krisen und Problemen (Inflation, Ukraine, Nahost, Pandemie) resultiert.

Beide Platinmetalle werden zur Herstellung von Katalysatoren für Auspuffanlagen benötigt. Allein für diese Anwendung werden etwa 40% des weltweit geförderten Platins verwendet; der Anteil am Palladiumangebot dürfte sogar höher sein. Die großen Anbieter von Platin und Palladium beobachten daher mit Sorge den sich ausweitenden Arbeitskampf in der US-Autoindustrie, der bereits seit Mitte September läuft und dazu geführt hat, dass inzwischen rund ein Viertel der insgesamt 150.000 Arbeiter von Ford, General Motors und Stellantis streikt. Der Stillstand vieler Produktionsbänder verstärkt die Nachfrageschwäche insbesondere bei Palladium, das Platin als Werkstoff in der Fertigung von Katalysatoren in großen Teilen ersetzt hat.

Nachfrage überschätzt

Anfang September – also vor Beginn des Streiks in der US-Autoindustrie – hatte das World Platinum Investment Council (WPIC) noch vor einem Angebotsdefizit im Gesamtjahr gewarnt. Das WPIC, das die Nachfrage nach Platinmetallen notorisch überschätzt, sprach von einem Aufschwung in der Automobilindustrie, wodurch die Platinnachfrage aus der Branche 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 13% steigen werde. Für die übrige industrielle Nachfrage wurde sogar ein Rekordwert prognostiziert. Insgesamt, so der Lobbyistenverband, werde die Nachfrage im Jahresvergleich um 27% auf 8,23 Millionen Feinunzen (jeweils 31,1 Gramm) steigen, während das Gesamtangebot mit rund 7,22 Millionen Unzen auf dem Niveau von 2022 stagnieren werde. Daraus ergibt sich ein vermeintliches Defizit von gut 1 Million Unzen; es wäre das größte in der Geschichte – sowohl nach Zahl der Unzen als auch in Prozent der Nachfrage, warnte das WPIC. Angesichts der schwachen Konjunktur weltweit, die die Industrienachfrage nach Platinmetallen bremst, erscheint diese Prognose fraglich.

Hochs liegen nicht weit zurück

Die langjährigen Hochs von Platin und Palladium liegen gar nicht so weit zurück. Im Februar 2021 erreichte der Platinpreis mit rund 1.300 Dollar pro Unze den höchsten Stand seit Ende 2014; das verhalf den Aktien der Produzenten seinerzeit zu einem Höhenflug. Während es bei dem Edelmetall bereits wenige Monate später zu einer Konsolidierung kam – seit gut zwei Jahren schwankt der Preis zwischen 850 und 1.100 Dollar –, erreichten die Notierungen der beiden größten Förderer, Anglo American Platinum (Amplats) und Impala Platinum (Implats), erst im März 2022 Rekordhochs. Das lag an der Hausse des zweiten wichtigen Metalls aus der Platingruppe: Palladium. Der Preis dieses Rohstoffs sprang von rund 1.760 Dollar pro Unze Mitte Dezember 2021 innerhalb von drei Monaten bis auf 3.166 Dollar; ein Plus von 80%. Die nachfolgende scharfe Korrektur – die Unze Palladium kostet derzeit 1.112 Dollar und damit so wenig wie seit fünf Jahren nicht mehr – ließ auch die Kurse der Produzenten einbrechen. Seit ihren Hochs vor anderthalb Jahren hat die Amplats-Aktie in Euro 78% ihres Wertes eingebüßt, bei Implats sind es 75%.

Nebenprodukte von Nickel, Kupfer und Gold

Vier Fünftel des weltweit geförderten Platins stammen aus Südafrika. Der übrige Teil der Fördermenge stammt aus Russland, den USA und Kanada. Neben den Unternehmen, die auf die Primärförderung von Metallen der Platingruppe spezialisiert sind – etwa Amplats, Implats und Northam Platinum (alle mit Sitz in Südafrika) – gibt es Bergbaufirmen, bei denen dieses Geschäft zwar einen erheblichen Anteil am Gesamterlös hat, bei denen andere Rohstoffe aber eine ähnlich große oder sogar größere Rolle spielen. Dies ist wenig überraschend, da Platinmetalle in der Förderung von Nickel, Kupfer und Gold als Nebenprodukte anfallen. So gehört der derzeit drittgrößte Platin- und Palladiumhersteller der Welt, die südafrikanische Sibanye-Stillwater, auch zu den zehn größten Goldproduzenten.

Ein anderer Player ist die ebenfalls in Südafrika ansässige African Rainbow Minerals (ARM), bei der die Platinmetallförderung nur ein Geschäftsbereich von sieben ist; das hierzulande weitgehend unbekannte Unternehmen entstand 2003 aus der Fusion mehrerer Bergbauunternehmen, darunter Harmony Gold, die heute noch mit dem ARM-Bereich Gold gleichzusetzen ist.

Die russische Nornickel (ehemals Norilsk Nickel) baut neben Platinmetallen vor allem Nickel, Kupfer sowie Gold und Silber ab.

Schließlich gibt es noch Spieler im Platinmarkt, für die dieses Geschäft gemessen am Konzernumsatz nur eine verhältnismäßig geringe Bedeutung hat, etwa der Rohstoffriese Glencore mit operativem Sitz in der Schweiz oder der Eisenerzriese Vale aus Brasilien.

Platin galt über Jahrzehnte als „Luxusvariante“ von Gold. Die scheinbar festgezurrte Reihenfolge nach Preisen war Platin, Gold, Silber. Das hat sich seit Mitte des vorigen Jahrzehnts geändert; die Unze Gold kostet derzeit mit rund 1.988 Dollar pro Unze weit mehr als eine Unze Palladium (1.784 Dollar) oder Platin (899 Dollar). Der Platztausch liegt auch daran, dass Platin in der Automobilindustrie mehr und mehr durch Palladium ersetzt und deshalb immer weniger nachgefragt wurde, so dass das Edelmetall stetig an Bedeutung und Glanz verlor, während das Schwestermetall in der langfristigen Rückschau deutlich zulegte.

Erholung im ersten Quartal 2024

Dass es zu einer Jahresendrally von Platin und Palladium kommt, ist unwahrscheinlich. Die historische Preisentwicklung für Metalle der Platingruppe – zu der neben Platin und Palladium noch Iridium, Rhodium, Ruthenium und Osmium gehören – verläuft nach Berechnungen von Heraeus Precious Metals im vierten Quartal in der Regel zwar positiv. Seit 1998 habe Platin im vierten Quartal durchschnittlich um 4% und Palladium um 8% zugelegt. Doch ist nach Ansicht der Branchenexperten 2023 davon auszugehen, dass die Autobauer und großen Zulieferer (Original Equipment Manufacturer, OEMs) mit überschüssigen Platinmetall-Beständen ins Jahr gegangen seien, was den Bedarf an Käufen verringert habe. Hinzu kommt laut Heraeus, dass sich bestehende Abwärtstrends bei den Platinmetallen in der Regel auch im letzten Jahresviertel fortsetzen.

Wartungsarbeiten in Russland

Dennoch besteht nach Ansicht von Heraeus die Chance auf mittelfristig höhere Platin- und Palladiumpreise. Die Edelmetallexperten verweisen auf Nornickel; der Konzern werde in Kürze mit umfangreichen Wartungsarbeiten an seinen Schmelzanlagen in Russland beginnen, was die Verfügbarkeit von Palladium gegen Ende des vierten Quartals und bis ins erste Quartal 2024 hinein verringern könnte. „Sollte dies mit der Wiederaufnahme der normalen Käufe durch die Automobilhersteller gegen Ende des Jahres zusammenfallen, könnte sich der Palladiumpreis Anfang 2024 wieder erholen“, prognostizieren die Analysten. Selbst in Bärenmärkten steigen die Platin- und Palladiumpreise zu Jahresbeginn nach Aussage von Heraeus tendenziell an.

Platin dient nicht nur zu industriellen Zwecken, obwohl diese Verwendung nach Angaben des WPIC mit einem Anteil an der Gesamtnachfrage zwischen 55 und 80% – davon über die Hälfte aus dem Automobilsektor – der weitaus wichtigste ist. Die Nachfrage zu Anlagezwecken schwankt gemäß dem Verband stark und erreicht in Hochphasen 20%. Die Schmuckindustrie komme als Nachfrager auf eine Quote von 24 bis 31%. Heraeus zufolge sind die Aussichten für die Platinschmuck-Nachfrage allerdings nicht gut. China, der weltweit größte Markt für Platinschmuck, werde seit 2020 durch Covid-bedingte Lockdowns und schleppendes Wachstum beeinträchtigt. Schätzungen zufolge wird die Herstellung von Platinschmuck in China allein dieses Jahr im Vergleich zu 2022 um ein Fünftel sinken.

Schließung von Minen möglich

Die Platinmetall-Produzenten stehen aber nicht nur von der Nachfrageseite her unter Druck, auch die Kosten laufen ihnen davon. Wie die gesamte Bergbaubranche ächzen Amplats, Implats & Co. unter stark steigenden Personal- und Materialkosten sowie heftigen Preisaufschlägen für Geräte und Maschinen. Durch den Preissturz von Platin und Palladium ist die Schließung von unrentabel gewordenen Minen wahrscheinlich.

So trafen sich Anfang des Monats die CEOs der größten südafrikanischen Produzenten in Johannesburg. Die Notwendigkeit, die Kosten an einen niedrigeren PGM-(Platinum Group Metals)-Basketpreis anzupassen, war das zentrale Gesprächsthema. Neal Froneman, CEO von Sibanye-Stillwater, warnte davor, dass das Unternehmen gezwungen sein könnte, einige unrentable Schächte in Südafrika zu schließen, nachdem der PGM-Basketpreis in Rand seit Jahresbeginn um 41% gesunken ist. Andere Produzenten mit Gruben, die Verluste generieren, dürften diese Option ebenfalls in Betracht ziehen.

Die primäre südafrikanische Platinproduktion wird laut Heraeus dieses Jahr um 3% steigen und bei 4,2 Millionen Unzen erwartet. Im derzeitigen Umfeld ist nicht auszuschließen, dass Entscheidungen über Großprojekte wie den Ausbau von Minen verschoben werden, um das Betriebskapital zu schonen.

KGVs im einstelligen Bereich

Gleichwohl sind die Platinmetall-Produzenten für risikofreudige Anleger einen Blick wert, denn die Kurseinbrüche haben zu günstigen Bewertungen geführt. Für 2024 liegen z.B. die erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnisse im mittleren einstelligen Bereich. Dafür müsste allerdings die Baisse auf dem Platinmarkt enden und eine Erholung einsetzen.

Ein Platin-Nugget ist dunkler als ein Klumpen Silber, aber heller als Kohle.