Kaum lösbarer Zielkonflikt im Umgang mit China
China
Kaum lösbarer Zielkonflikt
Von Stefan Reccius
Ist China Partner, Wettbewerber oder systemischer Rivale? Bidens Dekret ver- deutlicht das Dilemma für die EU.
Mit seinem Dekret, Technologieinvestitionen in China auf militärisch sensiblen Gebieten zu blockieren, hat US-Präsident Joe Biden auch manche Europäer aufgeschreckt. Für Bernd Lange, den Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europaparlament, ist Bidens Anordnung „ein weiterer Schritt der Eskalation zwischen den USA und China“. Die EU dürfe sich davon nicht unter Druck setzen lassen.
Tatsächlich steht die Europäische Union in den Beziehungen zu China längst unter Druck, und zwar gewaltig. Seit der Hochzeit der Handelskriege mit gegenseitigen Straf- und Vergeltungszöllen hat es zwar keinen Big Bang mit Peking gegeben. Dennoch schaukelt sich der zum Technologie- und Rohstoffkrieg mutierte Konflikt der Handelsmächte nach und nach hoch.
Die EU-Kommission möchte bestimmte Investitionen im Ausland ebenfalls kontrollieren bis einschränken. Bidens Dekret bringt sie in Zugzwang, weil es in eine ähnliche Richtung zielt. Macht sie, wie angekündigt, Ernst mit Instrumenten zum Screening von Exporten und Auslandsinvestitionen? Oder zwingen massive Vorbehalte in der Wirtschaft sie, ihre Pläne zu überdenken?
Dahinter steckt ein genereller Zielkonflikt im Umgang mit China. Den offiziellen Dreiklang „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ betonen Politik und Wirtschaft unterschiedlich: In Brüssel und Berlin stellt man tendenziell stärker den Charakter Chinas als Systemrivale heraus. In weiten Teilen der Wirtschaft ist es umgekehrt.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister von der CDU, hat den strategisch richtigen Umgang mit China zur „zentralen Frage in der europäischen Außenpolitik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten“ erklärt. Für Dirk Jandura, den Chef des Außenhandelsverbands BGA, sollte dieser Umgang „ausgewogen“ sein. Ulrich Ackermann, Außenwirtschaftsleiter des Maschinenbauerverbands VDMA, pocht auf eine „China-Politik mit Augenmaß“. Was in solch wolkigen Worten stets mitschwingt: Nehmt uns China bitte nicht zu hart ran!
Die Herangehensweise der deutschen Wirtschaft hat Siegfried Russwurm, Chef des Industrieverbands BDI, klar benannt: Im China-Geschäft gelte es, opportunistisch zu sein. Das ist einerseits erfrischend ehrlich, andererseits erschreckend kurz gedacht. Diese Laisser-faire-Haltung ist auf Vorstandsebenen verbreitet. Die Million-Euro-Frage ist, wie lange sie sich das noch leisten können. Im schlechtesten Fall einer Eskalation wird sich diese Haltung als blauäugig herausstellen.
Sei es, weil die chinesische Regierung wirtschaftliche Vergeltung verschärft, vor der sie aufgrund nach wie vor lukrativer Geschäftsbeziehungen bislang zurückschreckt. Sei es, weil Peking im Taiwan-Konflikt auf dumme Gedanken kommt und Europäer wie Amerikaner mit einer Seeblockade oder schlimmeren militärischen Eskalationen zu Sanktionen zwingt. Sei es, weil die Amerikaner mal wieder zu extraterritorialen Sanktionen über eigene Staatsgrenzen hinaus greifen und die Europäer vor die Wahl stellen: China oder wir.
EU und USA liefern sich ein Scharmützel nach dem anderen mit China. In einem nie dagewesenen Schritt hat die EU-Kommission zwei Telekommunikationskonzerne – Huawei und ZTE – als Risiko für die nationale Sicherheit eingestuft. Komponenten von Huawei sind an vielen Stellen in der Mobilfunk- und Bahninfrastruktur verbaut. Etliche europäische Länder haben den Einbau chinesischer Komponenten verboten. Die Bundesregierung hingegen zögert. In der EU-Kommission sieht man das nicht gern.
Umgekehrt hat die Regierung in Peking Exportkontrollen für die Seltenen Erden Germanium und Gallium verhängt. Auch das gilt eher als Warnschuss. Es scheint allerdings eher eine Frage der Zeit, bis es zum großen Knall kommt. Darauf ist Europas Wirtschaft angesichts ihres halbherzigen Strebens nach „De-Risking“ von China unzureichend vorbereitet.