LeitartikelFederal Reserve

Die US-Notenbank muss sich in Geduld üben

Indem sie den Leitzins auf den höchsten Stand seit 22 Jahren getrieben hat, hat die US-Notenbank einen wichtigen Beitrag zur Inflationsbekämpfung geleistet. Auf die Dienstleistungspreise hat die Notenbank aber nur begrenzten Einfluss und sollte daher bei weiteren Zinsschritten Geduld walten lassen.

Die US-Notenbank muss sich in Geduld üben

Federal Reserve

Bei der Fed ist nun Geduld angesagt

Die US-Notenbank sollte dem Transmissions­mechanismus Zeit lassen und den Zinszyklus demnächst abschließen.

Von Peter De Thier

Der Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank hat am Mittwoch mit dem Verzicht auf eine weitere Zinserhöhung die richtige Entscheidung getroffen. Elfmal haben die Währungshüter in den vergangenen eineinhalb Jahren die Zügel straffer gezogen. Der Zielkorridor für den Leitzins befindet sich heute auf dem höchsten Stand seit 2001. Verglichen mit dem Sommer 2022, als die Verbraucherpreise auf Jahressicht um 9% zulegten, hat der Inflationsdruck deutlich nachgelassen. Zwar kann es durchaus sein, dass der Fed-Vorsitzende Jerome Powell und seine Kollegen im FOMC beim PCE-Index, dem bevorzugten Inflationsmaß der Notenbank, eine 2 vor dem Komma sehen wollen, ehe sie das Ende des laufenden Zinszyklus verkünden. Zwischenzeitlich obliegt es ihnen aber, die Ursachen der nach wie vor hohen Inflation unter die Lupe zu nehmen und differenzierter zu analysieren, ehe weitere geldpolitische Beschlüsse gefasst werden.

Schließlich ist nach jeder FOMC-Sitzung derselbe Refrain zu hören: Vor dem Hintergrund der Rezessionsängste, die lange Zeit die Debatte unter Ökonomen prägten, hat das unspektakuläre, aber stete Wirtschaftswachstum in den ersten beiden Quartalen des Jahres für eine angenehme Überraschung gesorgt, und eine weiche Landung wird immer wahrscheinlicher. Unterdessen hat sich die Inflation als außerordentlich hartnäckig erwiesen, und ohne eine Abkühlung am Arbeitsmarkt, wo das Stellenwachstum solide geblieben ist und die Löhne an der Jahresrate gemessen nach wie vor um mehr als 4% zulegen, wird es nicht möglich sein, die Teuerung in Schach zu halten, so das Credo der Fed.

Dieses Argument ist im Kern richtig, übersieht aber eine der wichtigsten Ursachen der weiter hohen Inflation, nämlich deren angebotsseitige Komponente. Schließlich kommt Powell nur selten auf jene Faktoren zu sprechen, die schon vor mehr als zwei Jahren die Voraussetzungen für die immensen Preissteigerungen geschaffen hatten, die lange Zeit der Wirtschaft ein Klotz am Bein waren, nämlich Lieferkettenstörungen im Gefolge der Coronakrise. Ein Musterbeispiel, wenn auch extrem, liefern die US-Autopreise, die um fast 50% kletterten, als die Halbleiterproduktion brachlag. Andere Industriesparten erlitten dasselbe Schicksal und hatten keine Wahl, als die Explosion bei den Inputpreisen an ihre Kunden weiterzugeben. Diese Probleme sind nun aber in vielen Branchen weitgehend überwunden. In den USA zeigt sich das an den Preisen für Neu- und Gebrauchtwagen, die zwar über dem Vorkrisenniveau liegen, mittlerweile aber dieselben moderaten Steigerungsraten aufweisen wie vor der Pandemie und teilweise sogar nachgeben.     

Das Dilemma der Fed besteht darin, dass ihren Möglichkeiten Grenzen gesetzt sind. Sie kann die nachfrageseitige Inflation bekämpfen, hat aber wenig Einfluss auf die angebotsseitigen Komponenten. Dazu zählen neben den Lieferkettenstörungen, gegen die Powell und Co. machtlos waren, insbesondere der Lohndruck und die Dienstleistungsinflation. Die Währungshüter haben insofern Recht, als Engpässe am Arbeitsmarkt, wo zuletzt fast neun Millionen Stellen unbesetzt blieben, die Löhne treiben und sich der Lohndruck als Folge der zahlreichen Streiks weiter verstärken könnte. Dazu gesellt sich aber der exorbitante Preisanstieg bei Dienstleistungsunternehmen, vom Gast- und Freizeitgewerbe über den Gesundheitssektor und das Bildungswesen bis hin zu Fachdienstleistern. 

Die Notenbank muss die Realität akzeptieren, dass Zinserhöhungen sich nur in begrenztem Umfang eignen, der Dienstleistungsinflation Herr zu werden. Weitere Straffungen würden die Konsum- und Investitionsnachfrage drosseln und Unternehmen veranlassen, weniger Stellen anzubieten, dann würde der Lohndruck nachlassen. Bei Dienstleistungen aber, die sich weiter verteuern, haben die Zinserhöhungen kaum Wirkung entfaltet. Daher wäre die Fed gut beraten, dem geldpolitischen Transmissionsmechanismus Zeit zu lassen, ehe sie wieder auf die Bremse tritt. Im Kampf gegen die Inflation könnte eine weitere Straffung helfen, ob gegen Jahresende oder Anfang 2024. Dann sollte Powell aber einen Schlussstrich ziehen und jener weichen Landung entgegensehen, die immer wahrscheinlicher wird.

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