LEITARTIKEL

Klarschiff machen

Am kommenden Montag beginnt bei Bilfinger eine neue Zeitrechnung: Nach dem Abgang von Roland Koch im Sommer vergangenen Jahres als Vorstandschef und dem Interregnum mit dem aus dem Aufsichtsrat an die Vorstandsspitze entsandten früheren langjährigen...

Klarschiff machen

Am kommenden Montag beginnt bei Bilfinger eine neue Zeitrechnung: Nach dem Abgang von Roland Koch im Sommer vergangenen Jahres als Vorstandschef und dem Interregnum mit dem aus dem Aufsichtsrat an die Vorstandsspitze entsandten früheren langjährigen Konzernlenker Herbert Bodner startet am 1. Juni der bisherige Swissport-Chef Per Utnegaard beim Mannheimer Bau- und Dienstleistungskonzern. Endlich, meinen Kritiker, nach deren Ansicht der frühere Berufspolitiker Koch mindestens ein Jahr zu lange im Amt gehalten wurde und die auch das Bodner-Intermezzo angesichts der vielen Baustellen im Konzern als verlorene Zeit empfinden.Von gut 93 Euro oder einer Marktbewertung von 4,2 Mrd. Euro war der MDax-Wert in rekordverdächtigem Tempo auf einen Tiefstand von 38 Euro oder 1,7 Mrd. Euro Börsenwert gestürzt und damit auf den niedrigsten Stand seit sechs Jahren. Je nach Zählweise vier oder fünf Gewinnwarnungen nahmen auch den letzten Anlegern die Freude an ihrem Engagement bei Bilfinger. Daran konnte auch die trotz allen Niedergangs für das desaströse Jahr 2014 ausgekehrte Dividende von 2 Euro je Aktie nichts ändern.Von den Auswirkungen der deutschen Energiewende im Kraftwerksgeschäft und vom zeitweilig dramatischen Verfall der Ölpreise gebeutelt, zeigt das angeblich so robuste Geschäftskonzept der Mannheimer – Power Services, Industrial Services sowie Building and Facility Services – überraschend wenig Widerstandsfähigkeit. Der scheidende Interimschef Bodner musste zerknirscht einräumen, dass sich wohl vor allem in der bisherigen Renditeperle Kraftwerksdienstleistungen die Mannschaft “in einer absoluten Schönwetterzone” bewegt hatte und von dem dramatischen Wetterwechsel in diesem Geschäft nicht nur überrascht, sondern auch überfordert wurde. Nicht ganz so schlimm, aber immer noch schlimm genug wurden bei Bilfinger die industriellen Services getroffen. Allein das am wenigsten internationale, vom Anspruch her vergleichsweise einfache Geschäft mit Hochbau und Gebäudemanagement hielt Kurs und lieferte trotz schwieriger Wettbewerbslage befriedigende Renditen.Was kann der 55-jährige Norweger besser als Koch und Bodner, um die heftige Schlagseite des einstigen Baukonzerns, der sich schon vom Projektgeschäft und dem riskanten Ingenieurbau getrennt hat, zu beheben? Wie viel Zeit lässt ihm der Großaktionär Cevian, der sich für seine Berufung starkgemacht hat?Bei dem Flughafendienstleister Swissport hat Utnegaard gewiss Erfahrungen im Umgang mit einfachen Dienstleistungsaufgaben machen können, die er bei Bilfinger für die Sparte Building and Facility nutzen kann. Allein, dieses Geschäft braucht derzeit am wenigsten neue Impulse. Investoren halten sich aber wegen der unklaren Lage von Power und Industrial Services bezüglich Empfehlungen für die Bilfinger-Aktie zurück. Um das zerstörte Vertrauen der Anleger wiederzugewinnen, muss Utnegaard möglichst schnell erreichbare Ziele setzen und die Konzernstruktur anpassen.Bei einem Goodwill von 2 Mrd. Euro in Höhe des Eigenkapitals fürchten nicht wenige, dass mit den bevorstehenden Kapazitätseinschnitten allfällige Impairment-Tests noch substanzielle Sonderabschreibungen nach sich ziehen könnten. Je früher Klarschiff gemacht wird, desto schneller könnte der Neue auf der Brücke darauf setzen, dass Bilfinger auf neuem, stabilem Kurs auch wieder die Anleger mit an Bord nehmen kann. Dass der Großaktionär Cevian mit seinen über 25 % die erste Anlegestelle nutzt, um sich zu verabschieden, gilt dabei als eher unwahrscheinlich. Im Vergleich zu anderen Finanzinvestoren halten die Schweden länger durch – bei Volvo schon gut neun Jahre -, und zu aktuellen Bilfinger-Kursen dürfte es noch eine ganze Weile dauern, bis das Mannheimer Engagement für Cevian wieder in die Gewinnzone steuert.Dennoch, Utnegaard steht von Beginn an bei seinem gut dotierten Bilfinger-Job unter Erfolgsdruck. Investoren erhoffen sich schon bei Vorlage der Halbjahresergebnisse am 12. August klare Hinweise, wohin die Reise mit neuem Kapitän gehen soll – mit welcher Besetzung des Vorstandes, mit welchen Geschäften und mit welcher Struktur. Gerade die Beseitigung der Teilkonzernholdings unter Koch und der damit verbundene Verlust an operativem Know-how habe Bilfinger geschwächt, mäkeln Kritiker. Die Post-Merger-Integration hätten die Firmenkäufer Bodner und Koch sträflich vernachlässigt. Utnegaard muss deshalb Management und Belegschaft rasch mit neuem Selbstbewusstsein und Tatendrang ausstatten.——–Von Peter Olsen Der neue Bilfinger-Chef Utnegaard steht unter Erfolgsdruck. Rasche Entscheidungen sind überfällig, um den Konzern auf neuen Kurs zu bringen.——-