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Klimawandel allerorten

Mehr Gründungen, mehr Geld, bessere Stimmung – aus der deutschen Start-up-Szene kommen dieser Tage wieder gehäuft positive Nachrichten. Mit dem länderübergreifenden Investitionsschwerpunkt der Kapitalgeber lässt sich das Klima vor der Haustür allerdings nicht retten.

Klimawandel allerorten

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Klimawandel
allerorten

Von Karolin Rothbart

In der deutschen Start-up-Szene häufen sich zurzeit die positiven Nachrichten. Es wird wieder mehr gegründet, die Jungfirmen kriegen mehr Geld und auch bei den Investoren zeigt sich „eine Aufbruchstimmung“, wie es in einer Analyse der KfW und des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK) heißt. Demnach ist der Geschäftsklimaindikator in der Wagniskapitalbranche im zweiten Quartal um 10,6 Zähler auf minus 8,9 Punkte gestiegen. Der Teilindikator für die Geschäftserwartungen liegt zudem erstmals seit zwei Jahren wieder im positiven Bereich. Die Zinssenkung der EZB vom Juni macht’s möglich.

Nach längerer Abkühlung eines 2021 doch stark überhitzten Markts geben solche Nachrichten natürlich Anlass zur Hoffnung: darauf, dass sich für den im Wandel befindlichen Arbeitsmarkt wieder schneller neue Perspektiven eröffnen und dass in die dringend nötige Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität wieder mehr Schwung kommt.

Wirft man einen Blick auf die branchenspezifischen Investitionen, stellt sich hier allerdings eine gewisse Ernüchterung ein. Denn das mit Abstand meiste Geld floss im ersten Halbjahr nicht etwa in Klimaschutztechnologien, sondern mal wieder in den Softwarebereich. Auch europaweit und in den USA haben Wagniskapitalgeber in den ersten sechs Monaten wieder am stärksten auf Software- und KI-Themen gewettet. Dabei standen Klimaschutztechnologien, zumindest auf dem alten Kontinent, 2023 noch auf Platz 1 der beliebtesten Investoren-Verticals.

Verwunderlich ist die Kehrtwende nicht. Anders als teure und langwierige Dekarbonisierungsvorhaben versprechen Software-Investments oft schnellere Skalierungsmöglichkeiten. Doch Software allein wird den Klimawandel nicht aufhalten – im Fall von KI-basierten Tools kurbelt sie den Stromverbrauch sogar massiv an und könnte ganz nebenbei Millionen Jobs obsolet machen. Es gilt also unter anderem, Lösungen für das Problem der langfristigen Kapitalbindung im VC-Bereich zu finden. Dann könnte ein besseres Stimmungsklima in der Branche vielleicht sogar dem Klima da draußen helfen.


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