Notiert inMadrid

König Felipe hat die Qual der Wahl

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien habe keine klaren Verhältnisse gebracht. Der Monarch muss als Staatsoberhaupt nun schauen, welchen Kandidaten er dem Parlament zur Wahl des Ministerpräsidenten vorschlägt.

König Felipe hat die Qual der Wahl

Felipe VI. hat die Qual der Wahl

Der August ist in Spanien als Ferienmonat heilig. Nach der hektischen letzten Woche, als noch schnell die Halbjahresbilanzen der Konzerne und andere wichtige Dinge in Umlauf gebracht wurden, herrscht nun absolute Ruhe. Der Politikbetrieb macht da keine Ausnahme. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nach den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 23. Juli nicht klar ist, wer das Land zukünftig regiert oder ob es zu Neuwahlen kommt. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben sich nach intensiven Monaten der Kampagne erst einmal in den Urlaub verabschiedet. Die Zeitung “El País” berichtete, dass erst zwei der 350 Abgeordneten ihre Akkreditierung im Unterhaus, samt der beliebten Ledertasche, abgeholt haben. Der Congreso de los Diputados tritt am 17. August zusammen. Bis dahin sind Ferien, obwohl hinter den Kulissen wohl Kontakte zwischen den Parteien laufen werden.

König Felipe VI. ist diese Woche traditionell mit seiner Familie zum Sommerurlaub im Palacio de Marivent auf Mallorca. Sein Vater Juan Carlos I. war dagegen gerade für ein paar Tage auf einer Segelregatta in Galicien. Es war der dritte Besuch in Spanien des Rex Emeritus, seit dieser sich 2020 nach Abu Dhabi absetzte. Auf den gegenwärtigen Monarchen kommt eine wichtige Rolle im komplexen Prozess der Regierungsbildung zu, die in gewisser Hinsicht die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Staatsoberhauptes auf die Probe stellt. Im Prinzip hat der König keinen politischen Spielraum. Doch sieht der Artikel 99 der Verfassung vor, dass das Staatsoberhaupt „nach Konsultation mit den von den politischen Gruppen im Parlament designierten Repräsentanten (…) einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlägt“. Über drei Jahrzehnte handelte es sich dabei um eine reine Formsache, denn das politische System wurden von den Sozialisten (PSOE) und der konservativen Volkspartei (PP) beherrscht, was bei Wahlen immer für klare Verhältnisse sorgte.

Doch die politische Landschaft Spaniens ist durch neue Parteien rechts und links des Spektrums heute vielschichtiger geworden. Die Konservativen von Alberto Núñez Feijóo erhielten am 23. Juli zwar die meisten Stimmen und 137 der 350 Sitze. Aber das reicht nicht, um mit der erforderlichen einfachen Mehrheit in einem zweiten Wahlgang an die Macht zu kommen. Die PP benötigt die Stimmen der rechtsextremen Vox, was es wiederum unmöglich macht, dass die konservativen Nationalisten aus Katalonien und dem Baskenland einem solchen Bündnis zustimmen. Schließlich sind sie der erklärte Hauptfeind von Vox.

Ministerpräsident Pedro Sánchez von den Sozialisten, die nach Auszählung der Auslandsstimmen auf 121 Abgeordnete kommen, hat dagegen rechnerisch und politisch eine Chance auf eine Mehrheit, obwohl ein extrem steiler Weg vor ihm liegt. Wen der beiden Anwärter soll König Felipe nun als Kandidaten vorschlagen? Verfassungsrechtler interpretieren die Carta Magna so, dass der Kandidat, dessen Partei die meisten Stimmen erobert hat, nicht automatisch als Bewerber vorgeschlagen werden muss. Im Januar 2016 gab es einen interessanten Präzedenzfall. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte nach den Wahlen keine Mehrheit mehr im Parlament, obwohl die PP erneut die stärkste Kraft wurde. König Felipe entschied sich dennoch für Rajoy als Kandidaten, doch dieser lehnte das Angebot ab. Es kam zu Neuwahlen, nach denen Rajoy schließlich im Amt bestätigt wurde.

Der Monarch muss nun sehen, ob er Núñez Feijóo als Wahlsieger in ein aussichtsloses Rennen schickt oder abwartet, ob Sánchez die Stimmen von fünf weiteren Parteien zusammenbekommt. Einen Zeitraum sieht die Verfassung nicht vor. Der König muss jedoch schließlich irgendeinen Kandidaten vorschlagen. Wenn dieser durchfällt, beginnt eine Frist von zwei Monaten für weitere Versuche. Danach kommt es automatisch zu Neuwahlen. Nach dem Stand der Dinge könnte die Wiederholung im Dezember stattfinden. Kurz vor den Weihnachtsferien.

Notiert in Madrid

Von Thilo Schäfer
BZ+
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