Im BlickfeldKlinikmarkt

Krankenhäuser im Überlebenskampf

Viele Krankenhäuser stecken in einer prekären wirtschaftlichen Lage, und Marktbeobachter warnen vor einer Insolvenzwelle. Diese zeichnet sich noch nicht ab, doch die Konsolidierung im Klinikmarkt ist nicht abzuwenden.

Krankenhäuser im Überlebenskampf

Krankenhäuser
im Überlebenskampf

Die nächste Konsolidierungswelle im Klinikmarkt kommt bestimmt – mit oder ohne Krankenhausreform

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Die Unsicherheit ist groß. Im deutschen Klinikmarkt macht sich Sorge breit, dass die anstehende Krankenhausreform zu deutlich mehr Insolvenzen führen könnte – und die Befürchtung ist berechtigt. Eine weitere Konsolidierung ist auch im Sinne der Qualitätssteigerung und -sicherung nicht zu vermeiden. Dabei muss man berücksichtigen, dass Deutschland in der Krankenhausdichte in Europa weit vorn liegt und es hierzulande noch viele kleinere Häuser gibt, die teilweise mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben.

Kaum ein Thema ist so emotionsgeladen wie die Schließung oder Übernahme von Krankenhäusern. In der ersten Konsolidierungswelle in den 90er Jahren sind viele marode Häuser privatisiert worden, was zu breiten Protesten in Bevölkerung und Politik geführt hat und seitdem nur noch schwer zu bewerkstelligen ist. Die Privatisierung des ersten Uniklinikums Gießen-Marburg 2006 hat eine heftige öffentliche Debatte ausgelöst, die bis heute anhält.

Regionale Verbünde

Unterdessen versuchen sich kommunale Häuser im eigenen Kreis aus der Notlage zu ziehen, indem sie sich zu regionalen Verbünden zusammenschließen. Auch das bringt oft nicht die erhoffte Gesundung, denn der Patient blickt verstärkt über die Region hinaus, wenn er eine hochwertige spezifische Behandlung sucht und präferiert eine größere Fach- oder Akutklinik, auch wenn sie nicht vor der Haustür liegt.

Die Profitabilität der knapp 1.900 Krankenhäuser in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren sukzessive verschlechtert. Dabei gibt es Unterschiede abhängig von der Trägerschaft und der fachlichen Ausrichtung der Häuser. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger trifft die prekäre wirtschaftliche Lage gleichwohl Hospitäler in jeder Größe – für die Studie hat Roland Berger das Management der 600 größten Kliniken in Deutschland konsultiert. Dabei haben 51% der Befragten angegeben, dass ihr Krankenhaus für 2022 ein defizitäres Jahresergebnis ausweist, ein Viertel schloss ausgeglichen ab, 24% erzielten einen Überschuss. Im vergangenen Jahr hätten im Vergleich zu 2021 erstmals die kleinen Häuser mehrheitlich ein Defizit verbucht.

Mangel an Pflegekräften

Rote Zahlen schreiben vor allem Kliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, in dem Kreis waren es 63% aller Häuser. Besser stehen die freigemeinnützigen Krankenhäuser da, noch besser die privaten Kliniken. Als wichtigste Ursachen für die angespannte finanzielle Lage werden Personalmangel, insbesondere bei den Pflegekräften genannt, genauso wie Unsicherheiten bei der Finanzierung, inflationsbedingt steigende Preise, höhere Energiekosten und ein wachsender Investitionsstau in vielen Einrichtungen. Und das alles bei stagnierenden Einnahmen.

Vor allem kleinere Kliniken haben mit sinkenden Patientenzahlen zu kämpfen, aber auch manches große Haus ist in prekärer Situation, zumal einige Leistungen nur noch ambulant erbracht werden sollen. Und es wird in der schwierigen Lage nicht attraktiver für Ärzte und Pflegekräfte, in einem Krankenhaus zu arbeiten, was die Personalsuche zusätzlich erschwert.

Der Studie von Roland Berger zufolge rechnen die Verantwortlichen erst von 2028 an mit Entlastungseffekten durch den Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft. Sie hoffen dabei nicht nur auf positive Effekte aus der Konsolidierung, sondern auch auf Effizienzgewinne aus Digitalisierung und der intensiveren Nutzung telemedizinischer Angebote.

Länder halten die Taschen zu

Die Krise ist für viele Kliniken nicht allein hausgemacht, es krankt auch am System. Das duale Finanzierungsmodell hat sich nicht bewährt. Es ist darauf ausgelegt, dass Behandlungskosten und laufender Geschäftsbetrieb über Fallpauschalen gedeckt werden, die Länder dagegen sollen die Mittel für die Investitionen der Häuser bereitstellen. Dieser gesetzlichen Pflicht kommen die Länder in der Praxis indes nicht nach. Nach Aussage von Restrukturierungsberatern stemmt manches Bundesland nur 40 bis 50% der verlangten Krankenhausinvestitionen. Die Kliniken sind somit gezwungen, die Investitionen über die Fallpauschalen mit abzudecken – ein hilfloses Unterfangen. Somit werden Investitionen unterlassen, viele Gebäude sind veraltet und energetisch ineffizient.

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg gebrachten Pläne zur Krankenhausreform sollen gegensteuern und sehen vor, dass sich Kliniken nur noch zum Teil über Fallpauschalen finanzieren. Die Häuser sollen zudem dafür Geld bekommen, dass sie Leistungen vorhalten. Um Leistungen anzubieten, müssen sie indes bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Künftig soll nicht mehr jedes Krankenhaus das gesamte Behandlungsspektrum abdecken, sondern nur noch Leistungen, für die es Mindestfallzahlen, Erfahrung und Spezialisierung nachweisen kann. Komplexe Behandlungen sollen nur noch in besonders dafür qualifizierten Einrichtungen durchgeführt werden. Über die Vorhaltepauschale will man unabhängig von Fallzahlen die flächendeckende Versorgung sichern. Das Erlösvolumen soll durch die Reform insgesamt allerdings nicht zunehmen.

Reform geboten

Dass eine Krankenhausreform dringend geboten ist, darüber herrscht Einigkeit. Obwohl die Zahl der Krankenhausbetten bezogen auf die Bevölkerungszahl und die Ausgaben für das Gesundheitswesen gemessen am Bruttoinlandsprodukt sehr hoch sind, liegt das Land bei der Behandlungsqualität im OECD-Vergleich im Mittelfeld. Auch dem Gesundheitsminister geht es mit der Reform um Behandlungsqualität. Er will ökonomischen Druck von den Kliniken nehmen, weiß aber, dass auch im neuen Finanzierungsmodell nicht alle Häuser überleben können – und manches Krankenhaus sogar die Reform nicht mehr erleben wird.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft geht davon aus, dass 20 bis 25% der Häuser von Insolvenz bedroht sind. Die in der Studie von Roland Berger befragten Krankenhausmanager rechnen damit, dass bis 2033 jede dritte Klinik schließen wird. Vor der Corona-Pandemie hat man nach Angaben von Restrukturierungsanwälten hierzulande im Schnitt drei bis sechs Insolvenzen pro Jahr gezählt, vor allem kleinere Häuser mit 200 bis 300 Betten.

In der Pandemiezeit war die Lage künstlich entschärft, weil vor allem kleinere, schwächere Anbieter von den staatlichen Prämien für das Freihalten von Kapazitäten für Corona-Patienten profitiert haben, während größere Kliniken schlechter gefahren sind. Zu der Zeit gab es deshalb so gut wie keine Insolvenzen. Ohne Subventionen dürften einige dieser "vorerkrankten" Häuser nun vor dem Aus stehen.

Konzentration über den Markt?

Ob nun die Insolvenzwelle anrollt, die Konzentration also über den Markt läuft, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es wird viel Panik geschürt, doch die größte und wirtschaftlich schwächste Gruppe sind Häuser in öffentlicher Trägerschaft, und die Kommunen haben veritables politisches Interesse, "ihr" Krankenhaus in der Region zu halten, und werden Geld zuschießen. Damit zeichnet sich keine Welle ab.

Mehr Insolvenzen erwarten Anwälte bei Häusern mit freigemeinnütziger Trägerschaft, zumal in dem Segment viele kleinere Kliniken zu finden sind und kirchliche Einrichtungen, Stiftungen und Vereine oft nicht mehr so große Finanzpolster haben. Insolvenzen werden aber wohl nicht auf dieses Segment beschränkt bleiben. Denn die Reduzierung der Krankenhausdichte dürfte über Zusammenschlüsse allein nicht gelingen.