Kulturkampf der drei Könige
Notiert in Madrid
Kulturkampf der drei Könige
Von Thilo Schäfer
Reyes contra Santa ist eine spanische Weihnachtskomödie, amüsant und kitschig, wie es dieses saisonale filmische Genre erfordert. In dem Streifen führen die Heiligen Drei Könige (auf Spanisch Los Reyes Magos) einen verzweifelten Kulturkampf gegen den wachsenden Einfluss des Weihnachtsmanns, in Spanien als Papá Noel oder eben Santa Claus bekannt. In früheren Zeiten drehte sich in Spanien zur Weihnachtszeit alles um den Dreikönigstag am 6. Januar, während der Heiligabend am 24. Dezember ein Familienessen ohne große Bescherung war. Doch mit der Globalisierung folgte der Siegeszug von Santa Claus und anderen nicht einheimischen Gepflogenheiten. Weihnachtsmänner, Weihnachtsbäume und Weihnachtsmärkte haben die spanischen Innenstädte in den letzten zwei Jahrzehnten nach und nach erobert – ganz zu schweigen von den einschlägigen Hits von Mariah Carey oder Wham.
König Melchior wird in dem Film der Machtverlust seines Dreigestirns schmerzhaft bewusst, als ihm ein kleines Mädchen erklärt, warum sie die Wunschliste an Santa und nicht an die „Magischen Könige“ geschickt hat: „Die Reyes sind der Plan B für das, was man vom Weihnachtsmann nicht geschenkt bekommt.“ Das hat einen praktischen Hintergrund, der Eltern in Spanien nach und nach überzeugt hat. Die Kinder bekommen ihre Geschenke zu Beginn der Weihnachtsferien im Dezember, damit sie sich zwei Wochen lang die Zeit vertreiben können, statt erst am 6. Januar, kurz bevor die Schule wieder losgeht.
Der Einzelhandel in Spanien freut sich daher auf eine deutlich längere Verkaufssaison als anderswo. Sie beginnt, wie mittlerweile überall auf der Welt, mit dem mittlerweile ebenfalls „traditionellen“ Black Friday und geht bis zum 5. Januar. Die drei Könige dürften in diesem Jahr staunen über das Angebot in den Kaufhäusern und Geschäften. Dort haben sich zwei Produkte breitgemacht, welche die meisten Leute bis vor kurzem eher vom Hörensagen kannten: der Adventskalender aus deutscher Tradition und der italienische Panettone.
Der Kalender ist zwar schon seit ein paar Jahren im Handel, doch bislang eher als Nischenprodukt. Spanische Gäste staunten beim Besuch dieses Korrespondenten immer über den Karton mit den 24 Türchen. Dieses Jahr sind die Adventskalender überall und in allen möglichen Ausführungen zu haben. Im Supermarkt des Corte Inglés stapeln sich gleich neben den Kalendern die Boxen mit Panettone, meist aus lokaler Herstellung. Das typisch italienische Weihnachtsgebäck droht dem klassischen spanischen Roscón de Reyes, einem ringförmigen Kuchen, den Rang abzulaufen. Doch die Spanier holen zum Gegenschlag aus. Letztes Jahr gewann Raúl Asencio aus Aspe bei Alicante mit seinem Panettone die Silbermedaille der Konditorvereinigung von Rom.
Auch die Weihnachtsmärkte in Spanien sind mit den Jahren gemütlicher geworden. Statt trister Messestände, wo hauptsächlich Plastikspielzeug verkauft wurde, findet man in Madrid nun Holzbuden mit Handwerksprodukten und endlich auch ein gastronomisches Angebot. Nur beim Glühwein hapert es noch. Das Heißgetränk auf dem Mercadillo de Navidad auf der Plaza de España etwa unterbietet sogar noch die schlechtesten Standards auf manchen deutschen Weihnachtsmärkten. Die Luxus-Version des Vino Caliente mit Rum und Honig macht den Verzehr nur unwesentlich erträglicher.
In umgekehrtem Sinne hat Spanien weltweit mit seiner berühmten Lotería de Navidad Erfolg, der größten Auslosung überhaupt. Im letzten Jahr erzielte die staatliche Lottogesellschaft einen Umsatz von 3,2 Mrd. Euro und zahlte 2,5 Mrd. davon an Preisen aus. Aus dem Ausland nimmt die Nachfrage nach Losen stetig zu, wobei es sich empfiehlt, über einen autorisierten Online-Händler zu kaufen.
Den drei Königen bleibt der Trost, dass der Trubel um den Weihnachtsmann zum Jahresende vorbei ist. Bei den großen Straßenparaden am Abend des 5. Januar gilt die Aufmerksamkeit wieder voll und ganz ihren heiligen Majestäten.