LeitartikelMeme Stocks

Lasst die „Meme Stocks“ crashen

Die Spekulation um „Meme Stocks“ ruft Forderungen nach neuen regulatorischen Maßnahmen wach. Doch wer auch 2024 noch dumm genug ist, sich von Social-Media-Hypes verleiten zu lassen, dem ist durch keine Börsenaufsicht zu helfen.

Lasst die „Meme Stocks“ crashen

Meme Stocks

Lasst sie crashen

Wer dumm genug ist, sich an „Meme Stock“-Rallys zu beteiligen, dem ist durch mehr Regulierung nicht zu helfen.

Von Alex Wehnert

Der Wahn um „Meme Stocks“ hält den Aktienmarkt im Bann – und Regulatoren haben nur ein probates Mittel, um die Manie in den Griff zu bekommen: sich zur Ausnahme einmal zurückzuhalten. Denn bei der Fülle an Neuregulierungen, die US-Behörden um die Börsenaufsicht SEC seit dem ersten großen Social-Media-Hype um Aktien mit niedriger Marktkapitalisierung und hohem Short Interest Anfang 2021 angestoßen haben, handelt es sich größtenteils um vergebene Liebesmüh.

Überarbeitete Brokerage-Regeln für einen faireren Orderprozess, schärfere Transparenzauflagen für professionelle Marktteilnehmer oder mögliche Verpflichtungen für Handelsplattformen, ihre Nutzer vor den Risiken von „Meme Stock“-Trading zu warnen, mögen einem hehren Ansinnen entspringen. Doch wer sich nach all den Verwerfungen um die auf Netzwerken wie Reddit beworbenen Aktien noch immer zu konzertierten Käufen dieser Titel anstiften lassen hat, der wird sich auch durch alle gut gemeinten regulatorischen Maßnahmen der Welt nicht davon abbringen lassen. Wer auch 2024 dumm genug ist, auf „Meme Stock“-Rallys aufzuspringen, der hat es vielmehr nicht anders verdient, als damit auf die Nase zu fallen. Für Regulatoren muss die Maßgabe in Bezug auf unbelehrbare Privatanleger also lauten: Lasst sie crashen.

Große Aufregung um „Roaring Kitty“

Denn ein Absturz folgt bisher auf jede Rally von „Meme Stocks“. Den jüngsten Hype hat dabei der Spekulant Keith Gill, auf Social Media unter dem Pseudonym „Roaring Kitty“ bekannt, angestoßen. Dieser gehörte schon 2021 zu den Treibjägern, die der Aktie des Videospielhändlers Gamestop eine Kursexplosion bescherten. Im Mai veröffentlichte er auf der Plattform X Screenshots seines Accounts beim Morgan-Stanley-Broker E-Trade, gemäß denen er fünf Millionen Aktien des Videospielhändlers sowie 120.000 Call-Optionen mit einem Ausübungspreis von 20 Dollar hielt – die ihn also berechtigten, Dividendenpapiere zu Niveaus deutlich unterhalb des damaligen Kurses zu erwerben. Nach eigenen Angaben bescherte ihm dies auf dem Papier zeitweise Investmentgewinne von mehreren 100 Mill. Dollar.

Die Aufregung an der Wall Street war daraufhin groß. Morgan Stanley erwog laut Insiderberichten, Gill vom Handel über E-Trade auszuschließen – doch dadurch würde sich die Bank nur zum Feindbild der Jünger von „Roaring Kitty“ machen, während die Spekulation einfach bei anderen Brokern weiterliefe. Die SEC untersucht derweil den Optionshandel rund um Gills Posts. Dass die Behörde Anhaltspunkte für eine Klage gegen Gill besitzt, bezweifeln Wirtschaftskanzleien allerdings. Denn dieser mag mit der Veröffentlichung der Positionen in seinem E-Trade-Account zwar seine Bekanntheit ausgenutzt haben, um Social-Media-Nutzer in die Gamestop-Aktie zu locken. Doch eindeutig getäuscht hat er dadurch nach aktuellem Stand niemanden – genau dies wäre aber Voraussetzung dafür, dass die SEC den Spekulanten nach ihrem Mandat rechtlich verfolgen kann.

Hype mit kurzer Halbwertszeit

Die hyperaktive Börsenaufsicht hat mit ihrer Vielzahl an Vorstößen im Sinne des Investorenschutzes seit dem ursprünglichen „Meme Stock“-Hype 2021 im Markt ohnehin mehr Unruhe als zählbaren Nutzen gestiftet. Weitere Versuche, den Symptomen der Manie Herr zu werden, braucht es auch gar nicht. Denn ähnlich wie der vorherige Wahn hat auch der aktuelle Trading-Boom eine kurze Halbwertszeit. Die Gamestop-Aktie hat allein seit dem vergangenen Donnerstag nahezu die Hälfte ihres Wertes eingebüßt, „Roaring Kitty“ sind damit bedeutende auf dem Papier erzielte Gewinne wieder durch die Lappen gegangen.

Das soll zwar nicht heißen, dass es nicht zu neuen Aufschwüngen des volatilen Titels kommen wird. Doch in diesem Fall bereinigt der Markt sich selbst, Hedgefonds mit Informationsvorsprüngen und algorithmischen Trading-Strategien haben sich längst auf den Hype um „Meme Stocks“ eingestellt. Die Rechnung zahlen am Ende also nicht systemrelevante Wall-Street-Institutionen, sondern einige Kleinanleger, die sich in ihrer Naivität von Spekulanten wie Gill haben mitreißen lassen. Schön ist das nicht – doch die Betroffenen werden ihre Lektion nicht lernen, wenn sie mit ihren Trading-Aktivitäten nicht auf die Nase fallen.