Leerverkäufer geben den Ton an
Varta-Aktie
Leerverkäufer geben Ton an
Von Helmut Kipp
Die Varta-Aktie, eigentlich ein verlässlicher Kandidat für einen vorderen Platz auf der Verliererliste, bewegt sich zur Abwechslung in die andere Richtung. Binnen zwei Handelstagen geht es 15% nach oben. Dazu gibt es eine passende Nachricht: Am Freitag verkündete der Batteriehersteller seine Zuversicht, den Umsatz im Jahr 2024 wieder auf mindestens 900 Mill. Euro zu hieven. Im Vergleich zu den nun für 2023 erwarteten 820 Mill. Euro wäre das eine Zunahme um ein Zehntel. Außerdem überrascht die Sparte Energiespeicherlösungen mit ungewöhnlich starkem Wachstum. Das nährt Hoffnungen, dass sich das Unternehmen aus Ellwangen im Osten Baden-Württembergs mit steigenden Erlösen aus der Ertragsmisere befreien kann.
Allerdings sollte man den Sachverhalt nicht überbewerten. Zum einen weil das Management in der Vergangenheit mehrmals optimistische Prognosen wieder senken musste. Zum anderen weil es bei Varta regelmäßig zu happigen Kursausschlägen kommt. Die Aktie gehört seit langem zu den Lieblingen der Shortsellerszene. Am Tag vor Beginn der Erholung soll die Zahl ausgeliehener Aktien, die ein Indikator für Leerverkäufe ist, bei 15% des Streubesitzes gelegen haben. Dann mussten sich Shortseller eindecken. Ihre Aktienkäufe trieben den Kurs nach oben.
Das hohe Interesse von Leerverkäufern hängt mit dem jahrelangen Boom der kleinen Akkus für kabellose Kopfhörer und Hörgeräte zusammen, der die im Herbst 2017 zu 17,50 Euro emittierte Aktie im Jahr 2021 bis weit über 150 Euro trieb. Diese Rally lockte Leerverkäufer an. Unvergessen ist die Attacke der “Black Mamba” im Januar 2000. Unter diesem Pseudonym attackierte ein anonymer Händler, indem er den Erfolg chinesischer Rivalen im Geschäft mit den an Smartphonehersteller gelieferten Knopfzellen herausstellte, der zulasten der Schwaben geht. Die Folge war, unterstützt durch eine skeptische Analystenstudie, ein Kurssturz von zeitweise fast einem Viertel an einem Handelstag.
Inzwischen befindet sich Varta in einer gänzlich anderen Situation als damals. Die Verkäufe der Coin-Power-Sparte sind kollabiert. Hinzu kommen die Rückschläge im vermeintlichen Zukunftsgeschäft mit Batterien für Elektroautos. So ist Varta zum Restrukturierungsfall geworden. Das Management steuert mit Kostensenkungen, Personalabbau und Working-Capital-Optimierungen gegen. Die Banken haben ihre Kredite zwar verlängert, aber nun kämpft das Unternehmen gegen einen stark steigenden Zinsaufwand an. Da kämen eine steigende Nachfrage und Entlastungen bei den Energie- und Rohstoffpreisen gerade recht.