Im BlickfeldLkw-Industrie

Am Start in ein gutes Jahr

Die Nachfrage nach Lkw schwächt sich in wichtigen Regionen ab. Die Hersteller erwarten dennoch ein weiterhin gutes Geschäft auf einem passablen Niveau.

Am Start in ein gutes Jahr

Am Start in ein gutes Jahr

Die Nachfrage nach Lkw schwächt sich ab, die Hersteller rechnen dennoch mit einem weiterhin guten Geschäft

Von Joachim Herr, München

Normalisierung klingt nach Langeweile und wenig Bewegung. In der Truck-Branche sind die meisten aber ganz froh, dass sich nach zwei geradezu wilden Jahren die Auftragslage beruhigt hat. Das Bestellvolumen geht zurück. Da aber der Auftragsbestand noch immer recht hoch ist, gibt es für die Lkw-Hersteller kaum Grund zu klagen. Die Frage ist freilich, ob sich die Bewegung nach unten verstärkt und wie lange die Konjunkturschwäche in wichtigen Regionen der Welt dauert.

Für 2024 herrscht in der Nutzfahrzeugindustrie jedoch weitgehend Zuversicht. Die Prognosen werden die Unternehmen erst im Frühjahr bekannt geben, doch die Signale deuten auf ein zumindest gutes Jahr hin. Martin Daum, der Vorstandsvorsitzende von Daimler Truck, wagte schon Anfang November die Vorhersage: „2024 wird ein solides Jahr für Daimler Truck.“ An dieser Einschätzung hat sich seitdem nichts geändert, wie im Umfeld des Unternehmens zu hören ist.

Sonnig, aber nicht mehr so heiß

Der Daimler-Vorstand unterteilt die Geschäftsziele nach Wetterszenarien: Die Sonne scheint in Zeiten einer starken Nachfrage. Bewölkt ist es, wenn die Lage stabil ist, und regnerisch in einer schwachen Konjunktur. In diesem Bild war es für Daimler Truck in diesem Sommer nach Empfinden des Managements sehr heiß. Für 2024 wird weiterhin mit Sonnenschein gerechnet, die Temperatur sinkt aber auf angenehmere Werte.

Ein Berg an Aufträgen

„Das Geschäft läuft jetzt ganz normal“, berichtete Daum zur Präsentation der Zahlen im dritten Quartal. „Das ist gut.“ Auch für die Kunden: Die mussten vor noch nicht langer Zeit ein halbes bis ein Jahr warten, bis der bestellte Lkw ausgeliefert wurde. Wegen der Engpässe in den Lieferketten häufte sich ein Berg von Aufträgen an. Es fehlte nicht nur an Halbleitern, selbst Reifen und Kunststoffteile waren knapp geworden. Und gleichzeitig müssen die Kunden mit dem Mangel an Fahrern klarkommen. Zum Teil konnten sie wegen solcher Kapazitätslücken fertige Lkw nicht abholen.

Dem Münchner Hersteller MAN, der zur VW-Nutzfahrzeugholding Traton gehört, fehlten nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 plötzlich Kabelstränge, da die Produktion der Zulieferer in dem Land anfangs nicht mehr möglich war. Das zwang MAN dazu, die Fertigung für sechs Wochen zu unterbrechen. „In der Folge mussten wir mit den Kunden zum Teil neue Liefertermine und -konditionen vereinbaren“, berichtete Ilka Koljonen, die im MAN-Vorstand für Finanzen verantwortlich ist, vor einiger Zeit im Interview. Das Vertrauen der Kunden war angeknackst.

Lieferzeiten sind gesunken

Mittlerweile hat sich in der Branche die Situation beruhigt. Von Daimler Truck und MAN ist zu hören, die Lieferzeiten lägen im Durchschnitt jetzt wieder bei drei Monaten. Auch das ist ein Zeichen der Normalisierung. Allerdings hakt es weiterhin an der einen oder anderen Stelle. In Nordamerika fehlen Daimler Truck Teile von einem Lieferanten, so dass dort im dritten Quartal eine signifikante Zahl von Lkw nicht verkauft werden konnte.

Engpass in Mexiko

Nach Informationen aus der Branche ging es dabei um einige Tausend Stück. Der Absatz des Konzernsegments Trucks North America sank von Juli bis September um knapp 2.000 auf etwas mehr als 47.000 Lkw. Wie zu hören ist, steckt hinter dem Engpass der mexikanische Zulieferer Maxion Inmagusa, der zu wenige sogenannte Rahmenlängsträger liefert. Ohne dieses Bauteil als Basis lässt sich ein Lkw nicht fertigen. Auch im Schlussquartal 2023 beschränkt dieser Mangel den Absatz von Daimler Truck in Nordamerika, wie es heißt.

Auf der Herstellerseite gewannen manche den Eindruck, Zulieferer hätten sich in den zwei Jahren mit knappen Komponenten und enormer Nachfrage zu wenig um die Instandhaltung ihrer Produktionsanlagen gekümmert. Das war offenbar auch das Manko von Maxion Inmagusa in Mexiko: Das Unternehmen habe wegen einer vernachlässigten Wartung Maschinen in der Hauptproduktionslinie durch neue ersetzen müssen, ist in der Branche zu hören.

Auftragsbücher geöffnet

Unabhängig von dem einen oder anderen Engpass stellen sich die europäischen Konzerne Daimler Truck, Traton und Volvo auf leicht schrumpfende Lkw-Märkte 2024 in Nordamerika und Europa ein. Die Auftragsbücher sind für die Kunden jedenfalls geöffnet, die restriktive Annahme von Bestellungen ist erst einmal wieder passé.

Christian Levin, der Vorstandschef von Traton, relativierte vor kurzem die spürbare Abschwächung, indem er darauf hinwies, dass das Volumen des Lkw-Markts in Europa 2023 seinen bisherigen Höchststand erreicht. Die vollen Auftragsbücher der vier Traton-Marken MAN, Scania, Navistar und VW Truck & Bus würden den Konzern jedenfalls bis Mitte 2024 tragen. Gründe für ökonomische Unsicherheit gibt es zuhauf. Levin beschäftigt vor allem die Frage, welche Folgen die wegen der höheren Zinsen gestiegenen Finanzierungskosten für die Kunden haben.

In Nordamerika stellen sich die Lkw-Hersteller auf ein leichtes Schrumpfen des Marktvolumens ein: Fahrzeuge an einer Schiffswerft in Kanada.

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