KommentarIPO

London zieht den Kürzeren

Für Softbank war es eine klare Entscheidung: In New York lässt sich für den Chipdesigner Arm eine höhere Bewertung erzielen als in London. Also wird das Portfoliounternehmen an die Nasdaq gebracht. Wenn sich nichts ändert, werden Arm noch viele Gesellschaften folgen.

London zieht den Kürzeren

Arm-Börsengang

London zieht
den Kürzeren

Von Andreas Hippin

Wer nicht in Wachstumsfirmen investieren will, sollte nicht jammern, wenn sie abwandern.

London hat im Wettbewerb um den Börsengang des britischen Chipdesigners Arm den Kürzeren gezogen. Der japanische Finanzinvestor Softbank gab der Wachstumsbörse Nasdaq aus guten Gründen den Vorzug. Dort kann er eine wesentlich höhere Bewertung erzielen. Denn in den USA sind die Investoren mit der Halbleiterbranche vertraut. Sie wissen, dass hohe Kursgewinne winken, wenn man dazu bereit ist, außerordentliche Schwankungen auszuhalten. Britische Investoren sind dagegen eher an hohen Dividenden interessiert. Pensionsfonds und Versicherer haben Verbindlichkeiten zu bedienen und brauchen dafür regelmäßig wiederkehrende Einnahmen. Die Konjunkturempfindlichkeit des Chipgeschäfts jagt ihnen kalte Schauer über den Rücken. Entsprechend gering ist bei solchen Initial Public Offerings (IPO) die Zahlungsbereitschaft.

Wer aber nicht in Wachstumsfirmen investieren will, sollte auch nicht jammern, wenn sie abwandern. Die richtige Zeit für die nun wiederkehrenden nationalistischen Beißreflexe wäre ohnehin 2016 gewesen, als Softbank Arm Holdings von der Londoner Börse nahm. Intelligenter wäre, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ein Listing dort für solche Unternehmen wieder interessant wird. Das gilt auch für Kontinentaleuropa, insbesondere Deutschland. Zunächst einmal muss man verstehen, worum es geht. Arm ist kein Chiphersteller, wie mancherorts berichtet, Softbank kein Technologiekonzern. Dann sollte man sich fragen, warum viele Zukunftsbranchen diffuse Ängste auslösen. Arm wird sich für den Börsengang nicht mit ihren Errungenschaften der Vergangenheit rühmen, sondern als eines der Unternehmen, das die Grundlagen für die schnelle Entwicklung von künstlicher Intelligenz liefert. In Europa kann man mit solchen Ankündigungen Weltuntergangsstimmung auslösen, in den USA die Anleger begeistern. Will man nicht endgültig den Anschluss verlieren, sollte man sich von der in den vergangenen Jahrzehnten kultivierten Technologiefeindlichkeit verabschieden.

London leidet nicht nur unter der Risikoaversion vieler institutioneller Investoren, sondern auch unter einer aktivistischen Aufsicht, die offenbar niemandem mehr rechenschaftspflichtig ist. Börsenkandidaten wird es im Namen des Anlegerschutzes schwerer gemacht als in anderen europäischen Ländern. Es wäre an der Zeit, bei der Regulierung die Axt anzusetzen. Schließlich sind Pensionsfonds keine Kleinanleger. Die Frage ist nur, ob Premierminister Rishi Sunak den Mut dazu hat. Wenn nicht, werden sich wohl noch viele Unternehmen wie Arm für ein IPO in den Vereinigten Staaten entscheiden.