KommentarUnruhen Frankreich

Macrons gescheiterter Traum von Ruhe nach Protesten gegen Rentenreform

Der Traum Macrons, dass Frankreich nach den Protesten der Rentenreform wieder zur Ruhe kommt, ist geplatzt. Die Krawalle jetzt zeigen einmal mehr, wie sehr es unter der Oberfläche in Frankreich gärt, wie sehr die französische Gesellschaft gespalten ist.

Macrons gescheiterter Traum von Ruhe nach Protesten gegen Rentenreform

Frankreich

Gescheiterter Traum

Von Gesche Wüpper

Bis zum 14. Juli, 100 Tage Zeit hatte er seinem Land gegeben, um nach den wiederkehrenden Protesten gegen die Rentenreform zu Beginn des Jahres zur Ruhe zu kommen. Doch der Traum Emmanuel Macrons, Frankreich wieder zu einen, ist geplatzt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone wird seit Tagen von teilweise massiven Krawallen erschüttert. Auslöser war der Tod eines 17-Jährigen, der im Pariser Vorort Nanterre bei einer Verkehrskontrolle von einem Polizisten erschossen wurde. Nachdem der Bus- und Straßenbahnbetrieb abends nach 21 Uhr inzwischen fast überall eingestellt wird, scheinen die Unruhen abzuflauen.

Die vermeintliche Ruhe ist jedoch trügerisch. Denn die Lage bleibt angespannt. Wie sehr es unter der Oberfläche gärt, wie sehr die französische Gesellschaft gespalten ist, haben bereits die Proteste der Gelbwesten und der Gegner der Rentenreform gezeigt. Ausgerechnet jetzt, kur vor der Rugby-Weltmeisterschaft im Herbst und ein Jahr vor den Olympischen Spielen 2024 gehen erneut Bilder von brennenden Autos und eingeschlagenen Schaufenstern aus Frankreich rund um die Welt und senden ein negatives Signal an Investoren und Touristen. Wieder einmal. Denn Krawalle in französischen Problemvororten sind nichts Neues. Seit Jahrzehnten schon entlädt sich der Frust der jugendlichen Einwohner immer wieder in Gewalt und Zerstörung.

Diesmal jedoch haben die Krawalle eine neue Dimension erreicht. Die auf Sozialen Netzwerken verbreiteten Bilder haben nicht nur bei einigen Jugendlichen zu einer Art Wettkampf geführt, wer mehr Geschäfte plündern, wer mehr Mülltonnen abbrennen kann. Sie haben rechtsextremen Gruppierungen auch ideale Vorlagen geliefert, um die Ängste vieler Franzosen zu schüren und mit Unwahrheiten für rassistischen Theorien zu argumentieren.

Angesichts der Angst eines Teils der Bevölkerung und des bei vielen Jugendlichen in den Problemvierteln verbreiteten Gefühls der Perspektivlosigkeit muss Macron nun Antworten finden. Einfach nur mehr Gelder für die Banlieus zur Verfügung zu stellen wird allein nicht reichen. Das haben bereits Vorgänger Macrons probiert. Neben langfristigen Programmen und einer stärkeren Kontrolle der Polizei ist auch eine Überarbeitung des unter dem Eindruck der Attentate von 2015 und 2016 erlassenen Gesetzes von 2017 notwendig, das Polizisten erlaubt, ihre Waffe zu benutzen, um Fahrzeuge zu stoppen, wenn deren Insassen bei Verkehrskontrollen ihren Anweisungen nicht folgen. Wohin sie dabei schießen dürfen, ist nicht definiert.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.