Arbeitsmodelle

Mehr als nur Homeoffice

Gut, dass immer mehr Firmen die Antwort auf die Frage erwei­tern, wie sie ihre Arbeitswelt neu gestalten – von hybriden zu flexiblen Arbeitsmodellen.

Mehr als nur Homeoffice

Schlechte Nachrichten für Mieter im Vogelsberg, im Spessart oder an der Bergstraße. Mittlerweile ist Wohnen nicht nur in Frankfurt und seinen Vororten ziemlich teuer geworden. Vielmehr hat sich in der Pandemie der Anstieg der Mieten im „zweiten Speckgürtel“ beschleunigt. Denn in Zeiten, in denen man sich nicht täglich, sondern nur gelegentlich morgens in den Stau einreihen muss, ist bei vielen das Interesse gestiegen, sich draußen auf dem Land einzurichten.

Stellt sich die neue Gretchenfrage an Unternehmen: „Nun sag, wie hast du’s mit dem hybriden Arbeiten – und zwar mittelfristig über die Pandemie hinaus?“ Kaum ein Bewerbungsgespräch, kaum eine Betriebsversammlung, bei der nicht gefragt wird, welchen Teil der Arbeitszeit die Beschäftigten außerhalb des Büros leisten dürfen. Mobiles Arbeiten ist im harten Kampf um Fachkräfte längst zu einer entscheidenden Frage geworden – vor allem für Unternehmen, die nicht an Werkbänken Produkte produzieren, sondern an Schreibtischen Dienste erbringen lassen – wie Banken und kapitalmarktnahe Dienstleister.

Deren individuelle Antworten, was den maximalen Anteil der Zeit am heimischen Schreibtisch betrifft, klaffen zwar auseinander – 20%, 40% oder bis zu 100%. Erfreulicherweise besteht aber weitgehend Einvernehmen, dass man nach der Pandemie nicht zum Status quo ante zurückkehren will. In anderen Worten: Es gibt nur noch wenige Arbeitgeber, die – selbstverständlich ausgenommen Tätigkeiten, die aufsichtlich (Zahlungsverkehr) oder inhaltlich (Poststelle) Anwesenheit in der Firma erfordern – sich generell gegen hybride Arbeitsformen sperren. Das ist gut, denn mit einer 100-prozentigen Präsenzpflicht senden Unternehmen ein Signal des Misstrauens. Sie scheinen ihren Beschäftigten nicht zuzutrauen, Teile ihrer Arbeit, die Ruhe und Konzentration erfordern, effizient zu Hause zu erledigen.

Erfreulich zudem, dass immer mehr Arbeitgeber statt auf pauschale Vorgaben auf gemeinsame Vereinbarungen einzelner Abteilungen setzen. Das erhöht die Chance, dass die Regelung für das jeweilige Team passt, und stärkt die Akzeptanz. Am wichtigsten aber ist, dass immer mehr Unternehmen die Antwort auf die Frage, wie sie ihre Arbeitswelt neu gestalten, nicht mehr allein auf die Homeoffice-Quote begrenzen, sondern sie erweitern – von hybriden zu flexiblen Arbeitsmodellen. Die Möglichkeit, einen, zwei oder noch mehr Tage in der Woche von zu Hause zu arbeiten, trägt zwar dazu bei, dass der Aufwand fürs Pendeln sinkt und Arbeitnehmer private Anforderungen wie Pflege oder Betreuung einfacher mit dem Arbeitsalltag koordinieren können. Um die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu verbessern – und zwar zugunsten nicht nur des Beschäftigten, sondern auch zugunsten des Unternehmens –, ist Homeoffice indes nur eines von vielen Elementen.

Ähnliche Bedeutung wie ein flexibler Arbeitsort haben flexible Arbeitszeiten. Der voreilige Vorbehalt, „das geht bei uns aus Gründen des Betriebsablaufs nicht“, unterschätzt die Vielzahl kreativer Modelle moderner Betriebsführung. Ein ebenfalls oft nur unzureichend genutzter Faktor, die Arbeitswelt attraktiver zu machen, ist eine Raumorganisation, die den Beteiligten die Auswahl zwischen Kommunikation und Stillarbeit lässt. Man muss ganz gewiss nicht alle Bürogebäude, wie es sich manches Einrichtungshaus wünscht, in Wohlfühloasen verwandeln. Aber es ist ein Anachronismus, dass vielerorts nach wie vor ausgerechnet die muffige Teeküche beliebtester Treffpunkt für den Austausch ist.

Zur flexiblen Arbeitswelt gehören schließlich auch Anpassungen in der Aufgabenverteilung. So kann die Doppelbelegung von Führungsfunktionen – Co-Chairing – dafür sorgen, dass die Flexibilität von Arbeitsort und Arbeitszeiten erst richtig effizient genutzt werden kann. Zugleich vereinfacht sie den Betriebsablauf in Phasen temporärer Abwesenheiten (Elternzeit). Und sie trägt dazu bei, dass Entscheidungen abgestimmter getroffen werden. Es geht also auch um grundsätzliche Fragen der Arbeitsorganisation und Steuerung.

Natürlich passt längst nicht jedes Arbeitsmodell auf jedwede Firma. Auch macht der Gesetzgeber manche Anpassung noch viel zu schwer. Aber Zaghaftigkeit oder Vorbehalte der Unternehmensführung, neue Formen der Arbeitswelt auszuprobieren, können schnell dazu führen, dass sich die händeringend benötigten Fachkräfte vom Unternehmen abwenden. Gehaltszuschläge oder Dienstwagen taugen übrigens schon seit langem nur noch sehr bedingt, um das zu verhindern.

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