KommentarDiversität

Mehr Ostdeutsche in die Chefetagen!

Ostdeutsche Industrieunternehmen betrachten die AfD laut einer Umfrage beinahe so kritisch wie westdeutsche. Das gilt zumindest für die Entscheider, von denen allerdings laut Statistiken die Wenigsten selbst eine Ostherkunft haben dürften. Genau darin liegt ein Teil des Problems.

Mehr Ostdeutsche in die Chefetagen!

Mehr Ostdeutsche in die Chefetagen!

Diversität

Von Karolin Rothbart

Das Erstarken der in Teilen als rechtsextrem eingestuften AfD bereitet der deutschen Wirtschaft laut einer Umfrage Bauchschmerzen – und zwar in West wie Ost. Obwohl die Partei in den neuen Bundesländern verhältnismäßig hohe Wahl- und Umfrageergebnisse erzielt, sieht eine Mehrheit der 114 dort ansässigen und vom IW Köln befragten Industrieunternehmen in deren Positionen vor allem Risiken. Die Firmen sorgen sich demnach besonders um den Bestand der EU und des Euros sowie um die Fachkräftesicherung: Jeweils rund 59% der ostdeutschen Unternehmen sehen in den beiden Aspekten „eher“ ein Risiko. Bei den 812 befragten Unternehmen mit Sitz in Westdeutschland waren es 79% bzw. 75%.

Dass die Risikobewertung der AfD in ostdeutschen Firmen beinahe so negativ ausfällt wie in westdeutschen ist aus Sicht des IW Köln ein Ergebnis, das „überrascht“. Schaut man jedoch darauf, wer genau in den Unternehmen befragt wurde, dürfte sich die Überraschung zumindest etwas legen: Geschäftsführer, Vorstände oder Leiter von Strategieabteilungen haben Auskunft gegeben – also Personen in Spitzenpositionen, in denen Ostdeutsche bekanntermaßen noch stark unterrepräsentiert sind, und das deutschlandweit. Gerade mal 4,3% aller Chefinnen und Chefs waren in der Wirtschaft im Jahr 2022 gebürtige Ostdeutsche, wie das Forschungsprojekt Elitenmonitor der Universitäten Leipzig, Jena und der Hochschule Zittau/Görlitz gezeigt hat. Der Anteil ist im Vergleich zu 2018 sogar noch leicht geschrumpft. Neben der Justiz und dem Militär ist die Wirtschaft damit einer von drei gesellschaftlichen Bereichen, in denen Ostdeutsche in Top-Positionen besonders selten vertreten sind.

Nicht nur, aber auch aus solchen Missständen speist sich der Unmut in Teilen der Bevölkerung, der für radikale Parteien ein Nährboden ist. Nicht umsonst hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Repräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen und Entscheidungsgremien in allen Bereichen zu verbessern. Ohne das Mitwirken der Unternehmen ist das freilich schwierig. Die Wirtschaft muss sich dieser Problematik endlich bewusst werden.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.