KommentarIT-Großstörungen

Produkt reift beim Kunden

Die jüngste IT-Großstörung hat gezeigt, wie abhängig wir vom reibungslosen Fluss der Daten sind. Es ist Zeit für mehr Regulierung, um Schlimmeres abzuwenden.

Produkt reift beim Kunden

IT-ausfälle

Produkt reift beim Kunden

Von Andreas Hippin

Software ist kritische Infrastruktur. Mehr Regulierung wäre angebracht.

IT-Probleme sind Teil des menschlichen Alltags. Selbst eine Großstörung wie am Freitag wird schulterzuckend hingenommen, wenn die Systeme danach wieder ans Laufen gebracht werden können. Die Abhängigkeit vom reibungslosen Informationsaustausch über die globalen Datenautobahnen ist derart dramatisch, dass das Geschäftsgebaren der Lieferanten der dafür nötigen Software nicht groß hinterfragt wird.

Hauptsache schnell am Markt

Produkt reift beim Kunden. So ließ sich das Vorgehen der Unternehmen früher charakterisieren, als man Software noch auf CDs kaufte. Irgendwann kam dann ein Update, das alle Fehler korrigierte, die von den Programmierern übersehen wurden, weil das Management das Produkt möglichst schnell auf den Markt bringen wollte. Und kurz danach kam auch schon das nächste Produkt.

Mittlerweile gibt es oft gar kein nächstes Produkt mehr. Was meist stattfindet, ist eine Erneuerung der vorhandenen Software durch allerlei Fixes, Patches und Updates. Man erwirbt die jeweils aktuelle Version und tut gut daran, sich nicht jedes Upgrade automatisch aufspielen zu lassen. Sonst könnte es sein, dass Flugzeuge am Boden bleiben, Züge nicht fahren und Rettungsdienste plötzlich nicht mehr zu erreichen sind.

Kernaufgabe für Staat und Wirtschaft

Es ist längst an der Zeit, IT-Infrastruktur als das anzuerkennen, was sie ist: kritische Infrastruktur. Sie sollte entsprechend gehärtet werden, nicht nur in ihrer physischen Form wie Rechenzentren und Unterseekabel. Auch eine von nahezu jedem genutzte Software sollte als kritische Infrastruktur betrachtet werden.

Von den Technolibertären aus dem Silicon Valley sollte man sich dabei nicht allzu viel versprechen. Hier geht es um eine Kernaufgabe für Staat und Wirtschaft gleichermaßen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs. Aus der Systemkonkurrenz ist längst eine Systemauseinandersetzung geworden.

Echtzeit oder zeitnah?

Will man Großausfälle vermeiden, sollte es zumindest im Infrastrukturbereich nicht den Software-Schmieden allein überlassen sein, wann sie welche Upgrades aufspielen. Mehr Regulierung wäre wünschenswert. Denn es geht um für das Funktionieren unserer Gesellschaft zentrale Dienste wie Telekommunikation, Energie- und Wasserversorgung oder Gesundheitswesen.

Eine stärker regulierte IT-Branche würde vielleicht den Nimbus der Coolness verlieren, der ihr hartnäckig anhaftet. Voraussetzung wäre allerdings die Einsicht, dass es nicht so weitergehen kann. Sonst werden die Ausfälle sich häufen und mit der absehbar weiter wachsenden Bedeutung der IT so auch die damit verbundenen Kosten.

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