KommentarLondon Stock Exchange

Schöner Shein statt Anderssein

Zweite Wahl für das IPO eines chinesischen Einwegmodehändlers zu sein, das hat die London Stock Exchange nicht verdient. Schon gar nicht sollte sie für Shein die Anforderungen an Börsenkandidaten lockern.

Schöner Shein statt Anderssein

London Stock Exchange

Schöner Shein
statt Anderssein

Von Andreas Hippin

Die London Stock Exchange erwartet eine Erholung des Geschäfts mit Initial Public Offerings, das im vergangenen Jahr darniederlag. Air Astana hat bereits den Sprung aufs Parkett gewagt. Nun wird spekuliert, dass der chinesische Einwegmodehändler Shein, der unter der Flagge von Singapur segelt, das geplante Börsendebüt an der Wall Street aufgeben und stattdessen die City of London ansteuern könnte.

Finanzdatengeschäft braucht Input

David Schwimmer, dem CEO der Börsenmutter LSEG, käme das natürlich sehr gelegen. Denn auch wenn der Primärmarkt nur einen Bruchteil der Einnahmen der Gruppe liefert, steht er im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Und das dominante Finanzdatengeschäft ist darauf angewiesen, dass an den Märkten gehandelt wird und dass neue Unternehmen die ausscheidenden ersetzen. Sonst bewegt sich nicht mehr viel auf den Bildschirmen der Kunden. Zuletzt gab eine ganze Reihe von Firmen ihr Listing zugunsten einer Notierung in New York auf.

Lieferketten im Fokus

Die Frage ist jedoch, ob man einen Neuzugang will, dem, so wird zumindest kolportiert, die Anforderungen in New York zu streng sind. Da geht es um Lieferketten, etwa um die Frage, ob Baumwolle aus Xinjiang verarbeitet wird, und um die Bedingungen in den Fabriken, in denen die Billigmode in der Volksrepublik produziert wird. Unter Gesichtspunkten wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist „Fast Fashion“ ohnehin ein höchst fragwürdiges Geschäftsmodell. Die LSEG wirft gerne mit Begriffen wie Green Finance um sich. Nun wäre es an der Zeit zu demonstrieren, dass es sich dabei um mehr handelt als um modische Worthülsen.

Modische Worthülsen

Doch die Erfahrung lehrt, dass dem Marktinfrastrukturbetreiber der schöne Shein wichtiger ist als das Anderssein, das die Voraussetzung für echte Nachhaltigkeit wäre. Schließlich erhielt China Yangtze Power, die Betreibergesellschaft des Drei-Schluchten-Staudamms, der mehr als 1,3 Millionen Menschen ihre Heimat kostete, das Gütesiegel „Green Economy Mark“ der Londoner Börse. Sollte sich Shein also tatsächlich für London entscheiden, würde sich der Börsenbetreiber sicher nicht in den Weg stellen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.