Notiert inLondon

Abschied von der Bierseligkeit

Steigende Preise und sinkender Alkoholgehalt drohen, der Bierseligkeit in englischen Pubs ein Ende zu bereiten. Dreht Schatzkanzlerin Rachel Reeves gar noch an der Alkoholsteuer?

Abschied von der Bierseligkeit

Notiert in London

Abschied von der Bierseligkeit

Von Andreas Hippin

Das haben wir wirklich schon lange nicht mehr gemacht“, sagte der Fondsmanager nach dem gemeinsamen Pubbesuch in der City. Die Pandemie habe den Alltag doch sehr verändert. In der Tat. Die Ausgangssperren zur Eindämmung des Sars-CoV-2-Virus liegen mittlerweile drei Jahre zurück. Doch von einer Rückkehr zur Bierseligkeit der Zeit davor kann nicht die Rede sein.

Heutzutage gingen jüngere Kollegen nach der Arbeit lieber ins Sportstudio als gemeinsam in den Pub, sagte ein anderer Mitarbeiter der Fondsgesellschaft, der ebenfalls mitgekommen war. Sie achteten mehr auf ihre Gesundheit als die ältere Generation.

Rasant steigende Preise

Neben dem veränderten Freizeitverhalten spielen auch die stark gestiegenen Preise eine Rolle. Dem Morning Advertiser zufolge kostet ein Glas Lager in der britischen Metropole im Schnitt 5,59 Pfund. Landesweit liegt der Durchschnitt bei 4,79 Pfund. In vielen Londoner Gaststätten wird aber längst die Schwelle von 8 Pfund überschritten, vor allem in Shopping- und Vergnügungsvierteln wie Soho. In den vergangenen zehn Jahren ist der Preis für Lager um gut zwei Fünftel gestiegen, wie das Statistikamt ONS ermittelte, der für Bitter um ein Drittel.

Nun fürchten viele Wirte, dass Schatzkanzlerin Rachel Reeves eine Erhöhung der Alkoholsteuer ankündigen wird, wenn sie am 30. Oktober ihren Haushaltsentwurf vorstellt. Das würde dafür sorgen, dass noch mehr Pubs ihre Pforten für immer schließen. Die British Beer & Pub Association forderte bereits eine Senkung um 5%, um der strauchelnden Branche unter die Arme zu greifen.  Nach Rechnung des Verbands bleiben dem Wirt von jedem verkauften Glas Bier nach Abzug aller Steuern und Kosten gerade einmal 12 Pence.

„Drinkflation“ hilft Brauereien

Pubbesucher werden noch auf eine andere Weise zur Kasse gebeten. „Drinkflation“ ist das Äquivalent zur „Shrinkflation“ bei vielen Produkten des täglichen Bedarfs, die plötzlich kleiner werden oder weniger wiegen. Der Alkoholgehalt vieler Biermarken ist in den vergangenen Jahren gesunken, in denen steigende Kosten den Brauereien zu schaffen machten. Greene King drückte ihn bei Old Speckled Hen von 5% auf 4,8%. Shepherd Neame dämpfte Spitfire von 4,5% auf 4,2%.

Die Hersteller profitieren von der Senkung des Alkoholgehalts, weil sie nicht so viel Alkoholsteuer abführen müssen. Natürlich geben sie den Kostenvorteil nicht an die Verbraucher weiter. Ob deshalb weniger Alkohol konsumiert wird, ist allerdings fraglich. Denn wer seinen gewohnten Pegel noch nicht erreicht hat, trinkt vielleicht einfach so lange weiter, bis der Blutalkoholspiegel dort angekommen ist.

Simple Annahme

Das dürfte auch dafür gesorgt haben, dass die Idee, die größte Portionsgröße einfach um ein Drittel zu reduzieren, in einem Feldversuch der Universität Cambridge nur zu einer Senkung des Bierkonsums um knapp ein Zehntel geführt hat. Dem lag die ziemlich simple Annahme zugrunde, dass Menschen in Portionen denken – ein Stück Kuchen, eine Tasse Kaffee usw. – und nicht in Millilitern oder Kilogramm.

Die Verhaltensforscher hatten mehr als 1.700 Gaststätten eingeladen, daran teilzunehmen. Am Ende beteiligten sich nur 13. Dabei hatten die Forscher versprochen, ausgefallene Einnahmen auszugleichen. Bemerkenswerterweise wurde mehr Wein verkauft. Alles in allem ging aber weniger Alkohol über die Theken. Aus Sicht der Forscher war das durchaus ein Erfolg für die Volksgesundheit.   

„Etwas dämlich“

„Etwas dämlich“, nannte dagegen Tim Martin, der Chairman der Pubkette JD Wetherspoon die darauf aufbauende Idee, Wirten vorzuschreiben, kleinere Gläser zu verwenden. Die kleinere Portionsgröße Schooner (425 ml) habe in Australien nicht zu weniger Alkoholkonsum geführt. Noch mehr Regulierung werde dazu führen, dass noch mehr Menschen zu Hause trinken.

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