Eurostar im Tunnel der Bürokratie
Notiert in London
Im Tunnel der Bürokratie
Von Andreas Hippin
Was waren das für schöne Zeiten, als man mit dem Eurostar in kürzester Zeit von London nach Paris fahren konnte. Anders als am Flughafen musste man nicht lange vor der Abfahrt da sein. Sicherheits- und Passkontrollen ließ man schnell hinter sich. Seit dem EU-Austritt ist das nicht mehr so. Das Stempeln der Pässe von Nicht-EU-Bürgern durch die französischen Grenzbeamten, die am Bahnhof St. Pancras ihren Dienst verrichten, braucht seine Zeit.
Lange Schlangen quälen sich durch den ohnehin schnell überfüllten Bahnhof. Man hatte ihn der Stadtteilentwicklung zuliebe zum Endpunkt der Verbindung mit dem Kontinent gemacht. Nun treten die Schwächen umso deutlicher zutage. Derzeit empfiehlt die Betreibergesellschaft, anderthalb Stunden vor der Abfahrt zu kommen. Und das ist erst der Anfang.
„Keine Shitshow“
Am 6. Oktober nimmt die EU ihr Entry/Exit-System (EES) in Betrieb. Intensives Lobbying Frankreichs sorgte wohl dafür, dass das automatisierte IT-System nicht zur Olympiade in Paris an den Start ging. Die französische Hauptstadt hat auch so schon genug Probleme. Doch Simone Lejeune, der bei Eurostar für Bahnhöfe und Sicherheit verantwortlich zeichnet, ist guter Dinge: „Wir sind zuversichtlich, dass es keine Shitshow wird, denn wir haben das richtige Set-up.“
Das EES verlangt bei der erstmaligen Einreise biometrische Daten der Bürger von Ländern, die nicht dem Handelsblock angehören. Es müssen Fingerabdrücke genommen, das Gesicht gescannt und vier standardisierte Fragen beantwortet werden. Dafür wurden insgesamt 90 Sekunden angesetzt, eine äußerst optimistische Schätzung.
37 Sekunden pro Person
Die biometrischen Merkmale werden dann bei jeder Ein- und Ausreise an einem EES-Kiosk überprüft. Für Pass-Scan, Gesichtserkennung und Standardfragen sind insgesamt 37 Sekunden vorgesehen. Derzeit werden für ihre Erfassung in St. Pancras fast 50 Kioske eingerichtet. Die meisten sollen dort stehen, wo sich derzeit ein Benugo-Coffeeshop befindet. Selbst wenn sie rechtzeitig betriebsbereit sein sollten, wird man wohl mehr als zwei Stunden früher da sein müssen. Im vergangenen Sommer dauerte es schon unter dem bisherigen System bis zu zwei Stunden.
Der EES-Kiosk ist kein Ersatz für die Grenzkontrolle. Passagiere müssen danach noch durch die Sicherheitskontrolle, die britische und die französische Passkontrolle. Immerhin, die Zahl der Angehörigen der Police aux frontières wird auf 24 verdoppelt. Das könnte die Abfertigung beschleunigen.
Nicht dass das alles überraschend gekommen wäre. In der Staatengemeinschaft wurde viele Jahre lang darüber diskutiert, wie man verhindern könnte, dass Terroristen und andere Kriminelle die Freizügigkeit im Personenverkehr im Schengenraum für sich nutzen. Großbritannien nahm an diesen Debatten aktiv teil. Das EES fiel also nicht vom Himmel. Nur hat man nun den Schaden, ohne in den Genuss der Vorteile zu kommen.