Kommentar Handelspolitik

Mineralisches Muskelspiel

China überrascht mit Exportkontrollen für ausgewählte Seltene Erden. Es handelt sich um einen sehr sorgfältig austarierten handelspolitischen Show-Akt.

Mineralisches Muskelspiel

Mineralisches Muskelspiel

Von Norbert Hellmann

China sorgt mit der urplötzlichen Ankündigung von Exportkontrollen für zwei in der Hightech-Industrie weltweit Anwendung findende Rohstoffe für einigen handelspolitischen Wirbel. Die zur Mineraliengruppe der Seltenen Erden zählende Stoffe Gallium und Germanium unterliegen dann einem Genehmigungsverfahren, das ihre Ausfuhr in bestimmte Länder dem politischen Gutdünken Pekings unterstellt.

Ob man sich in manchen Branchen nun ernsthafte Gedanken über Engpasssituationen oder die Gefahr eines Preiswuchers für diese überwiegend in China geförderten und in aller Herren Länder exportierten Substanzen machen muss, bleibt dahingestellt. Aus Sicht Pekings geht es nach längerer Denkpause über geeignete Retourkutschen für Technologie-Restriktionen der USA vor allem darum, sich wehrhaft zu zeigen, aber noch nicht voll zurückzuschlagen.

Das Timing der Maßnahme ist keineswegs zufällig, sondern fein austariert. Es war der am Dienstag begonnenen Jahrestagung der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) vorgeschaltet. Diesem Verbund mit einer diffusen sicherheitspolitisch orientierten Agenda gehören auch Russland, Indien, Pakistan, einige zentralasiatische Staaten und seit neustem der Iran an. China und Russland wollen ihm mehr geopolitisches Gewicht als Gegenentwurf zu einer US-geleiteten Hegemonialordnung verleihen.

Der handelspolitische Nadelstich mit Rohstoffkontrollen gibt zum einen den Appetitanreger für die SCO-Tagung ab. Zum anderen steht in Kürze ein Besuch der US-Finanzministerin Janet Yellen in Peking an. Die für kommende Woche geplante Visite des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell hingegen wurde von chinesischer Seite am Dienstag einfach abgesagt. Peking will wohl deutlich machen, dass die amerikanischen und europäischen Pläne zu einer aggressiveren industriepolitischen China-Haltung ein Rückschlagrisiko mit sich bringen. Die Ankündigung von Exportkontrollen soll ein diskreter Hinweis darauf sein, dass westliche Unternehmen im Technologiebereich durchaus auf chinesisches Wohlwollen angewiesen sind.

China weiß beim Reizthema Seltene Erden vorsichtig vorzugehen und will derzeit keine handelspolitische Eskalation heraufbeschwören. Zudem befindet man sich inmitten einer Charmeoffensive gegenüber ausländischen Investoren in China. Mit Gallium und Germanium wurden bewusst zwei Mineralien ausgewählt, die tatsächlich gar nicht so selten sind und an den Rohstoffmärkten keine Panik säen. Es geht darum, ein bisschen Muskeln zu zeigen, nicht aber die Faust zu schwingen.

Exportkontrollen

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