KommentarUS-Haushaltsstreit

Mit Flickwerk gegen einen Shutdown

Mit einem Übergangshaushalt hat der US-Kongress einen Shutdown, also einen Stillstand der Regierungsgeschäfte, verhindert. Der Kompromiss ist aber mit Haken versehen und eignet sich nicht, um eine langfristige Lösung des Haushaltsstreits herbeizuführen.

Mit Flickwerk gegen einen Shutdown

US-Haushaltsstreit

Reines Flickwerk

Von Peter De Thier

Die Fronten schienen festgefahren zu sein, und alles deutete darauf hin, dass ein weiterer US-Verwaltungsstillstand unausweichlich sein würde. Wenige Stunden vor Ablauf des Ultimatums sorgte aber das Repräsentantenhaus für eine faustdicke Überraschung und billigte mit einer klaren Mehrheit einen Übergangshaushalt, der prompt auch mit der Zustimmung des Senats und Präsident Joe Bidens Unterschrift Rechtskraft erlangte. Die Entscheidung war zweifellos die richtige. Der erste Shutdown seit fast fünf Jahren hätte die Wirtschaftsleistung gedrückt, die Stimmung unter Verbrauchern getrübt und den Privatkonsum, der ohnehin schon unter der hohen Inflation leidet, weiter belastet. 

Gleichwohl handelt es sich um keine echte Lösung des seit Monaten tobenden Haushaltsstreits. Oppositionschef Kevin McCarthy ist mit einem geschickten und für ihn politisch gefährlichen Schachzug seinen republikanischen Parteifreunden in den Rücken gefallen. Er hat unter Verzicht auf die von konservativen Republikanern geforderten Einsparungen zusammen mit den Demokraten einen Deal gezimmert, der aber lediglich Flickwerk ist. Denn das Tauziehen um ein umfassendes Budget-Gesetz, das für ein gesamtes Fiskaljahr die Finanzierung sämtlicher Ministerien sicherstellen würde, ging am Montagmorgen wieder von vorn los. Durchaus möglich ist, dass Mitte November, wenn die auf 45 Tage begrenzte Übergangsfinanzierung abläuft, sich das ganze Theater wiederholen wird.

Keine Mittel für Ukraine-Hilfen

Problematisch ist die Einigung auch deswegen, weil sie auf Wunsch der Republikaner die vorgesehenen Hilfsgelder für die Ukraine ausklammert und damit Bidens außenpolitische Glaubwürdigkeit in Frage stellt. Der Präsident wird nämlich seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj nun versprechen müssen, dass die Hilfe aus den USA aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist. Das aber ist keineswegs sicher und zudem ein schwacher Trost für die Opfer des russischen Angriffskriegs.

Auch hat sich McCarthy aufs Glatteis begeben, indem er auf die von konservativen Hardlinern geforderten Sparmaßnahmen verzichtete. Der rechte Parteiflügel wird nun versuchen, ihn seines mächtigen Amtes als „Speaker of the House“ zu entheben. Zwar wurde mit der Verhinderung eines Shutdown das Schlimmste vorerst abgewendet. Gleichwohl unterstreicht der Haushaltsstreit, für den keine Lösung in Sicht ist, die Dysfunktionalität des Kongresses und bestätigt die US-Öffentlichkeit kurz vor einem wichtigen Wahljahr in ihrer zunehmenden Politikverdrossenheit.

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