EU-Energiepläne

Mit Nebenwirkungen

Das geplante Ende der Öl- und Gas-Importe in die EU aus Russland hat weitreichende Folgen. Aber die Ziele bei der Einsparung stehen auf tönernen Füßen.

Mit Nebenwirkungen

Das Beharren der EU darauf, den Import und die Nutzung von russischem Öl und Gas zu beenden, ist eine der bedeutendsten Konsequenzen, die der Krieg Russlands gegen die Ukra­ine für deutsche Unternehmen hat. Brüssel will die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen bis 2027 beenden, um dem Kreml einen großen Teil seiner Einnahmen zu entziehen und sich mehr Handlungsspielraum gegenüber Moskau zu verschaffen. Schon ist der Anteil der EU-Gasimporte­, der aus Russland stammt, laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von 40% im Jahr 2021 auf 26% gesunken. Mit einer Kombination aus Effizienzmaßnahmen, Rieseninvestitionen in Wind- und Solarenergie sowie Gaseinkäufen aus anderen Ländern wie den USA sollen nun die russischen Lieferungen in fünf Jahren vollständig verzichtbar sein.

Die Mittel zum Zweck werden mit hässlichen Nebenwirkungen verbunden sein. Dazu gehört, dass die EU bis 2030 um 5% mehr klimaschädliche Kohle verstromen wird als bislang geplant. Auch Atomkraft wird – wenngleich nicht in Deutschland, wo der Atomausstieg Ende 2022 besiegelt ist – verstärkt zum Einsatz kommen.

Darüber hinaus sind aber auch die Zwischenziele zeitlich zu ehrgeizig, als dass sie als realistisch gelten können. Im März hatte die EU als Ziel formuliert, man wolle bis Ende 2022 auf zwei Drittel der jährlich 155 Mrd. Kubikmeter aus Russland importiertem Gas verzichten. Den Löwenanteil von 50 Mrd. Kubikmetern, um das Ziel zu erreichen, sollen Importe von verflüssigtem Gas (LNG) beitragen, das per Tanker angeliefert wird. Bevor es ins Gasnetz eingespeist werden kann, muss es jedoch mit speziellen Anlagen regasifiziert werden. Überschüssige Kapazitäten dafür gibt es nur auf der Iberischen Halbinsel. Von dort wiederum gibt es keine Verbindung mit ausreichender Kapazität nach Frankreich. So schnell gebaut werden kann das Verbindungsstück nicht.

Im Stromsektor sollen 20 Mrd. Kubikmeter russisches Gas durch Sonne und Wind ersetzt werden. Auch das erscheint möglich, ist aber in dem erhofften Tempo äußerst unwahrscheinlich. Es ist dagegen mehr als wahrscheinlich, dass auch eine Umstellung auf andere Energiequellen erforderlich­ wird – vor allem auf Wasserkraft, Kohle und Kernkraft.

Am Ende – so steht zu befürchten – wird Europa wohl nur dann ab Ende 2022 auf zwei Drittel vom russischen Gas verzichten können, wenn gleichzeitig die hohen Gaspreise die Nachfrage dämpfen – ebenso wie eine ab­geschwächte Konjunktur. Wünschenswert klingt das nicht.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.