Mit Verboten kommt man nicht weiter
EU-Anlegerstrategie
Mit Verboten kommt man nicht weiter
Von Wolf Brandes
Eine Kultur der aktienbasierten Altersvorsorge würde helfen, Privatanleger stärker an den Märkten zu beteiligen.
In den vergangenen Wochen rumorte es in der Finanzbranche, und es schien zunehmend unsicher zu sein, ob die EU-Kommission im Rahmen ihrer für Mai angekündigten Retail-Investment-Strategie ein Provisionsverbot vorschlagen wird. Zu stark war der Widerstand. Nun ist das Verbot vom Tisch. Klar, dass mit diesem Kurswechsel an der EU-Spitze Verbraucherschützer wettern. Die EU-Kommission sei als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet, schreibt die Bürgerbewegung Finanzwende mit Blick auf das ausgefallene Verbot – das zuletzt so etwas zu sein schien wie der Kern der EU-Kleinanlegerstrategie. Dabei geht es im geplanten Paket um weit mehr als die Regelung von Provisionen im Finanzbereich.
Ziel der Strategie ist es, Privatanleger einen besseren und einfacheren Zugang zu den Kapitalmärkten zu verschaffen, da die Beteiligung insbesondere am Aktienmarkt in den EU-Staaten im Vergleich zu anderen Ländern eher bescheiden ist. Die Retail-Investment-Strategie ist als Teil der Kapitalmarktunion zu sehen, die Finanzmärkte zu vertiefen und zu verbreitern. Dass nun ausgerechnet ein Provisionsverbot und damit der Zwang zur Honorarberatung dieses Ziel voranbringt, war von vornherein zweifelhaft. Sicherlich gibt es das Problem der Interessenkonflikte, Informationsasymmetrie und Berater, die ihre Kunden über den Tisch ziehen. Doch in Anbetracht der Erfahrungen in einzelnen Ländern und der unterschiedlichen Marktstrukturen erscheint es zweifelhaft, ob sich dieses Problem mit Verboten lösen lässt. Daher lohnt der Blick auf die anderen möglichen Elemente der zu erwartenden EU-Strategie.
Für die niedrige Beteiligung von Privatanlegern an den Kapitalmärkten hat die Kommission eine Reihe von Gründen ausgemacht: Die Schwierigkeiten für Kleinanleger, gute Anlageentscheidungen zu treffen, lägen unter anderem in den mangelnden Finanzkenntnissen und den Problemen, Produktinformationen zu verstehen und Produkte zu vergleichen. Dies sei auf komplexe und uneinheitliche Vorschriften zurückzuführen. Im Vorfeld der avisierten Strategie hat die französische Aufsichtsbehörde AMF die Kostendarstellung auf Verständlichkeit untersucht. Die Studie hat gezeigt, dass diese bessere Lesbarkeit nicht durch ein Gesetz erreicht werden kann, da die Anforderungen der Mifid II und der Verordnung für Investmentprodukte Priips nicht miteinander vereinbar sind. Ein Beispiel dafür, dass der Zugang zu den Finanzmärkten in den vergangenen Jahren eben nicht einfacher, sondern komplizierter geworden ist. Wenn nun der Schwerpunkt auf neutrale Beratung und faire Behandlung der Anleger, auf wettbewerbsfähige und kostengünstige Finanzprodukte und transparente Produktinformationen gelegt wird, ist das schön und gut. Damit darf jedoch nicht einhergehen, dass es noch komplizierter für Privatanleger wird, am Aktienmarkt zu investieren. Anlegerschutz für Investoren mit guten Erfahrungen noch zu verstärken ist nicht der richtige Weg. Eine Zwangsberatung würde aktive Anleger vor den Kopf stoßen. Bei einer Beteiligung an den Kapitalmärkten lassen sich Risiken nun mal nicht ausschließen, und der zweifellos wichtige Anlegerschutz muss mit Augenmaß weiterentwickelt werden.
Umstritten ist auch die Frage, wie brauchbar die bestehende Geeignetheitsprüfung ist. Erwartet wird, dass mit der EU-Strategie ein neues Konzept für Eignungsbeurteilungen kommt. Dabei geht es darum, dass die Bewertung sich auf den Kunden und nicht auf das Produkt beziehen sollte. Die aktuelle Eignungsbeurteilung und die Angemessenheitsprüfung in der Beratung jetzt aber vom Kopf auf die Füße zu stellen würde wohl kaum mehr Anleger an die Märkte bringen. Auch die Einführung einer Zertifizierungspflicht für Finanzberater, verbunden mit einem neuen EU-Label, klingt nur nach mehr Bürokratie und einem falsch verstandenen Anlegerschutz.
Unstrittig scheint der Punkt einer besseren Finanzbildung zu sein. Doch ist es das, was in den USA mit einer breiten Beteiligung am Kapitalmarkt hervorsticht? Vielleicht helfen verständliche Informationen den Menschen, fundierte Finanzentscheidungen zu treffen. Noch besser wäre eine Kultur der aktienbasierten Altersvorsorge.