LEITARTIKEL

Nachzügler

Die Deutsche Telekom spielt neuerdings in einer anderen Liga. Die US-Tochter, die schon seit Jahren große Sprünge macht, setzt nach der endlich gelungenen Übernahme des Konkurrenten Sprint zum Quantensprung an: nach Kundenzahl auf Augenhöhe mit AT&T...

Nachzügler

Die Deutsche Telekom spielt neuerdings in einer anderen Liga. Die US-Tochter, die schon seit Jahren große Sprünge macht, setzt nach der endlich gelungenen Übernahme des Konkurrenten Sprint zum Quantensprung an: nach Kundenzahl auf Augenhöhe mit AT&T – der bisherigen Nummer 2 im US-Mobilfunkmarkt – nimmt T-Mobile US Marktführer Verizon aufs Korn. Operativ schlägt sich die Dynamik der US-Beteiligung bei der Telekom entsprechend schwergewichtig nieder. Sie steuert nun fast 60 % zum Konzernumsatz und 65 % zum Ergebnis bei. An der Börse fällt dies für die Telekom indes kaum ins Gewicht. Die Aktie von T-Mobile US hat seit Jahresbeginn, als ein Plazet für die Sprint-Übernahme in greifbare Nähe rückte, fast die Hälfte an Wert gewonnen, die T-Aktie kam dennoch kaum von der Stelle. Inzwischen ist der Telekom-Anteil an T-Mobile US sogar mehr wert als der Konzern insgesamt.Telekom-Lenker Tim Höttges hat die Schuldigen schnell ausgemacht. Er wird nicht müde, die “fehlgeleiteten” regulatorischen Rahmenbedingungen für Investoren als Hemmschuh für die Telekombranche in Europa und Hauptgrund für die schwache Börsenperformance zu kritisieren. Ob die Investitionsregulierung in einem Land, in dem die Unternehmen jederzeit damit rechnen müssen, dass ein wichtiger Lieferant quasi von heute auf morgen auf einer schwarzen Liste landet und damit womöglich den gesamten Investitionsplan durcheinanderbringt, so viel besser ist, sei dahingestellt. Neben den vermeintlichen Rahmenbedingungen fällt indes noch ein anderer Unterschied auf. In der US-Mobilfunkbranche ist die Kapitalbindung im Hinblick auf die milliardenschwere Infrastruktur schon immer weit geringer als in Europa, denn die Mobilfunkstandorte sind in aller Regel im Eigentum von großen Tower Companies und nicht Teil der Bilanz der Telekomgesellschaften. Dies schafft Spielräume, was auch die Anleger honorieren.In Europa hat die Branche seit einigen Jahren begonnen, diese Mittel in der Bilanz ebenfalls freizusetzen, zunächst mit der Ausgründung von Funkturmaktivitäten und dann mit der Hereinnahme von Investoren. Hier ist die Telekom bisher auf halbem Weg stehengeblieben und steht gegenüber Branchenvorreiter Telefónica und nun auch gegenüber Vodafone als Nachzügler da. Dabei hat sie die Deutsche Funkturm (DMFG) als Einheit seit langem ausgegliedert. Die neu formierte GD Towers hat eines der größten Funkturmportfolios in Europa und präsentiert sich mit einer operativen Marge vor Abschreibungen und Leasingkosten von knapp 60 %. Dabei ist noch Luft nach oben, wenn sich die Einheit mit dem größten unabhängigen Funkmastbetreiber Cellnex vergleicht, der die Marge mit 73 % angibt. Auch die Vodafone-Tochter Vantage Towers liegt aktuell mit ihrer Rendite schon nahe 70 %. Der Mobilfunkriese will die Aktivitäten im kommenden Jahr in Frankfurt an die Börse bringen und so der Telekom, die für GD Towers weiterhin Optionen prüft, zuvorkommen.Dabei hat die Telekom angesichts einer Konzernverschuldung von 120 Mrd. Euro nach Konsolidierung der Sprint-Verbindlichkeiten eigentlich keine Zeit zu verlieren, wenn es darum geht, die Kasse neu zu füllen. Sie würde auch nicht den Anschein von Firesale erwecken, wenn sie ihre Infrastrukturassets jetzt zu Geld machte. Diese sind derzeit bei Investoren hoch begehrt, wie auch die Bewertung der börsennotierten Cellnex mit dem 27-fachen operativen Ertrag eindrucksvoll zeigt. Bei Vantage Towers geht es dem Vernehmen nach um eine Erstemission von 4 bis 5 Mrd. Euro, was 20 % bis 25 % des Aktienkapitals entsprechen sollte. Bei aller Corona-Unsicherheit sind die begleitenden Banken sehr zuversichtlich, dass sich dieses Schwergewicht Anfang nächsten Jahres zu einem attraktiven Preis platzieren lässt.Die Tower Companies haben wenig gemeinsam mit zuletzt in Deutschland gesehenen Konzernabspaltungen wie Healthineers, Innogy oder Traton, die mehr oder minder mühsam an den Markt zu bringen waren. Abgesehen von der hohen Rentabilität und Cash-flow-Sicherheit, mit der sich Funkturmgesellschaften auch als Dividendentitel empfehlen, ist der Zeitpunkt für den Einstieg von Investoren auch deshalb günstig, weil die Unternehmen im Zuge des 5G-Netzaufbaus sehr gute Wachstumschancen sehen.——Von Heidi RohdeIn den USA ist die Telekom mit ihrer neuformierten Tochter jetzt vorne dabei. Für die T-Aktie gilt das nicht. Hohe Schulden und eine hohe Kapitalbindung drücken auf den Kurs.——