Ne Zha schwingt die Soft-Power-Keule
NOTIERT IN SCHANGHAI
Ne Zha schwingt die Soft-Power-Keule
Von Norbert Hellmann
Ein garstiger kleiner Kobold mit heimtückischen Grinsen, schwarzen Augenringen und prominenter Zahnlücke versetzt die von allgemeiner Konsumträgheit etwas mitgenommene chinesische Kinobranche in positive Schwingungen. Die Rede ist vom Animationsfilm Ne Zha 2. Es geht um eine mythologische chinesische Figur mit übermenschlichen Kräften, die von einem ungnädigen Schicksal dazu verdammt ist, schon im zartesten Kindesalter die Inkarnation des Bösen abzugeben, aber sich tapfer dagegen zu wehren versucht.
Triumph traditioneller Werte
Der Stoff stammt aus dem Ming-Dynastie-Literaturklassiker „Investitur der Götter“, einem ellenlangen, tiefgründigen Epos mit tragischem Heldencharakter. In der Filmversion rettet sich der Knirps aus bipolaren Schwankungen zwischen bösen und kindlich gutherzigen Charaktereigenschaften dann doch auf die ein Happy End versprechende Seite des Edlen herüber. Familiensinn, Lernfortschritte, Rettungsinstinkte, Harmoniebedürfnis und eine Handvoll anderer traditioneller chinesischer Werte gewinnen die Oberhand. Das hat es dem heimischen Kinopublikum neben hochwertiger Animationstechnik und Spezialeffekten besonders angetan.
Kein Zweifel, Weltrekord
Im Sog des Neujahrsfests kam der Film auf Ticketverkäufe von 6 Mrd. Yuan (rd. 800 Mill. Euro), mittlerweile wurde die Traummarke von 10 Mrd. Yuan passiert. Um genau zu sein, am 13. Februar um 19 Uhr 10, wie offiziell festgehalten wird. Nun sind nicht nur alle chinesischen Kinokassenrekorde, sondern auch einige internationale branchenstatistische Werte pulverisiert worden. Bei umgerechnet 1,4 Mrd. Dollar hat der Film das weltweit höchste Einspielergebnis für einen einzelnen Ländermarkt erzielt.
Chance zum Kulturexport
Chinas Staatsmedien berichten atemlos in Dauerschleife über Ne Zha. Der Film wird als „globale Sensation“ apostrophiert, und in Zusammenhang mit dem jüngsten Coup an der KI-Front durch das Chatbot-Modell Deepseek gestellt. Chinesische Technologieführerschaft hat sich nun auch auf Animationsfilmkunst übertragen und bietet eine glänzende Chance, dem globalen Publikum chinesische Mythologie mit modernem Anstrich als Beitrag zur Völkerverständigung näherzubringen, so jedenfalls der Tenor. Das klingt gut, aber es wird nicht ganz einfach via dem Dauergrinser Ne Zha chinesische Soft-Power in der Weltgemeinde zu platzieren.
Disney hat es leichter
Der jedem chinesischen Schüler bekannte Grundstoff und die vom Film spielerisch verarbeiteten vielschichtigen kulturellen Facetten drohen im Ausland rasch auf ein „Lost in Translation-Problem“ zu stoßen. Chinesische Mythologie hat es im Vergleich zu Disney-Kultur etwas schwieriger, sich als gehobenes Familien-Entertainment international durchzusetzen. Ne Zhas globale Ansteckungswirkung steht zwar noch in der Schwebe, aber statistisch gesehen ist es in jedem Fall ein „Welterfolg“. Als Filmexport läuft Ne Zha jetzt sogar in den USA in etwa 700 Kinosälen an. Die dürften allein schon von der lokalen chinesischen Community locker gefüllt werden.