Neue (Alb-)Träume von Olympia
Notiert in Berlin
Neue (Alb-)Träume von Olympia
Von Andreas Heitker
Die durchweg positiven Reaktionen, die Paris für die Austragung der Olympischen Spiele eingeheimst hat, sind insbesondere in der deutschen Hauptstadt sehr genau registriert worden. In Berlin träumt man ja aktuell einmal mehr von einer neuen Bewerbung für die Sommerspiele – 2040 oder besser noch 2036. Bereits im vergangenen November hat der Regierende Bürgermeister Kai Wegner eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) abgegeben. Einhundert Jahre nach den Nazi-Propagandaspielen erneut eine Einladung nach Berlin? Für CDU-Mann Wegner ist dies nicht problematisch, sondern eine große Chance, der Welt eine heute vielfältige und offene deutsche Metropole vorzuführen.
Es wäre bereits der dritte Anlauf der Stadt seit der Wiedervereinigung. Krachend gescheitert waren die Verantwortlichen ja schon damit, die Spiele des Jahres 2000 zu holen. Bei der IOC-Entscheidung 1993 erhielt Berlin lediglich neun Stimmen. Den Zuschlag bekam bekanntlich Sydney. Neben Pannen bei der Bewerbung, die noch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nach sich zogen, trug auch eine durchaus erfolgreiche „NOlympia“-Bewegung zur großen Skepsis in der Bevölkerung bei. Auch für die diesjährigen Sommerspiele 2024 hatte sich Berlin interessiert, blitzte bei den Funktionären aber ebenfalls ohne große Chancen ab.
Tim Renner, Musikproduzent und -manager, hatte den Vorstoß der Stadt vor acht Jahren als Senatsmitglied und damaliger Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten des Landes miterlebt. In dieser Woche meldete sich Renner per Gastbeitrag im „Tagesspiegel“ zu Wort und erläuterte, dass das Konzept von Paris – also die Abkehr vom Gigantismus früherer Spiele und die konsequente Nutzung der vorhandenen Infrastruktur – auch in Berlin gut funktionieren würde. Renner schlug dann auch gleich Kunst als neue olympische Disziplin vor („Urban Art an Berliner Hauswänden und Slam Poetry in S-Bahnen“) und ein olympisches Dorf auf dem Parkgelände des früheren Tempelhofer Flughafens: „Vielleicht träumt bald ganz Berlin von Olympia.“
Berliner Sportstätten sind sanierungsbedürftig
Dass Renners Vorschläge im Internet schnell unter dem Stichwort „Albtraum“ kommentiert wurden, ist wenig verwunderlich. Zum einen ist das riesige Tempelhofer Feld für viele Berliner immer noch sakrosankt, und selbst eine Randbebauung würde neue Kulturkämpfe bedeuten. Zum anderen dürfte die Skepsis gegenüber Großveranstaltungen wie Olympia seit 1993 nur geringfügig gesunken sein. Auch Befürworter einer neuen Bewerbung, wie etwa der Präsident des Landessportbundes Berlin (LSB), Thomas Härtel, räumen zudem ein, dass zwar drei Viertel der benötigten Sportstätten schon vorhanden seien − sich diese aber in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand befänden. Auf dieses Thema ist jetzt auch der Boulevard angesprungen. „Die Sportstätten-Schande − Berlin nicht fit für Olympia“, hieß es in dieser Woche in der „Bild“. In der Hauptstadt gibt es weiteren Redebedarf.
Dies gilt insbesondere, weil die Bundesregierung eher eine gesamtdeutsche Bewerbung für das Jahr 2040 − also zum 50. Jahrestag der Wiedervereinigung − bevorzugen würde. Der Bund stellte Anfang August für eine Olympia-Bewerbung bis zum Jahr 2027 knapp 7 Mill. Euro zur Verfügung. Berlins Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger kann sich auf jeden Fall auch eine Zusammenarbeit und gemeinsame Bewerbung mit Hamburg vorstellen. Für die SPD-Politikerin Spranger würde eine solche Kooperation ein emotionales und vielfältiges Bild Deutschlands in der Welt abgeben: „Das hätte schon was: die Hamburger Mischung aus Großstadt und Coolness mit maritimem Flair und Berlin, die internationale Metropole, die Sportmetropole und die grünste Metropole in Deutschland“, betonte sie jetzt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.