Notiert inNew York

Neue Innenstadtmaut in Manhattan mit vielversprechendem Start

Mit einer neuen Innenstadtmaut will New York den Verkehr entzerren. Die Maßnahme zeigt erste Erfolge – droht allerdings Nervenproben für die Fahrgäste im U-Bahn-System nach sich zu ziehen.

Neue Innenstadtmaut in Manhattan mit vielversprechendem Start

Notiert in New York

Maut ganz unvertraut

Von Alex Wehnert

Wer in Manhattan lebt, verabscheut und fürchtet die unterirdische Verbindung zwischen den U-Bahn-Stationen Times Square und Port Authority Bus Terminal. Wer hier, Höhe 42. Straße, von den Linien A, C oder E auf die 1, 2, 3, 7, N, Q, R, W oder S umsteigen und dafür die Haltestelle wechseln muss, dem steht unweigerlich ein herkulisches Ringen gegen die menschliche Schwarmdummheit und um die eigene Zurechnungsfähigkeit bevor. Denn die Unterführung ist zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit hoffnungslos überfüllt.

Kakofonie im Tunnel

Und die Menschenmassen schieben sich nicht nur in einem derart langsamen Tempo durch den Tunnel, dass der geneigte Beobachter an die Existenz einer dicken Honigschicht auf dem gefliesten Boden zu glauben beginnt – sie bilden dabei auch in beide Richtungen so massive und undurchdringliche Linien, dass jede American-Football-Defensive vor Neid erblassen würde. Wer dringend eine Bahn zu erwischen hat, muss mit seinen „Entschuldigen Sie?“- und „Darf ich mal bitte?“-Rufen gegen die Jünger der Hare-Krishna-Bewegung, mit Mikrofon und Lautsprecher ausgestattete christliche Prediger – die in der Tradition des mittelalterlichen Ablasshandels den baldigen Tag des jüngsten Gerichts heraufbeschwören – sowie mit unschlagbaren Angeboten um sich werfenden Obsthändler, Möchtegern-Rapper und sonstigen Spinner anbrüllen, die den Tunnel mit ihrer Kakofonie überziehen.

Zentraler Knotenpunkt: Eingang zur U-Bahn-Station am Times Square. Foto:picture alliance / ZUMAPRESS.com | Jimin Kim.

In diesem Kuriositätenkabinett ist es seit der vergangenen Woche noch ein gutes Stück voller geworden. Denn seither ist die neue Innenstadtmaut für Manhattan in Kraft: Wer mit seinem Auto in die Zone südlich der 60. Straße fahren will, in der sich zahlreiche der berühmtesten Wahrzeichen der Empire City befinden, muss dafür zu Stoßzeiten 9 Dollar pro Tag berappen. Die ersten Statistiken lassen dabei durchaus auf Erfolge der Initiative schließen, durch die New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul den Verkehr entzerren, die Umweltverschmutzung reduzieren und mehrere Mrd. Dollar für die chronisch unterfinanzierte Metropolitan Transport Authority (MTA) einsammeln will.

Erste Erfolge machen Mut

Laut der Verkehrsgesellschaft sind in der ersten Woche pro Tag durchschnittlich 7,5% weniger Autos in die Mautzone und auf die umliegenden Highways gefahren als in vergleichbaren Zeiträumen vor der Einführung. MTA-Offizielle gehen davon aus, dass der Verkehr in diesem Bereich auf Jahressicht um 13% zurückgehen wird. Skeptiker betonen, dass das Aufkommen kurz nach der Festzeit ohnehin reduziert sei und auch das kalte Wetter Autofahrer von Trips in die Stadt abbringe. Doch die Zahl der Passagiere in den Expressbussen der MTA, die plötzlich mit verkürzten Fahrtzeiten punkten, hat gegenüber der zweiten Januarwoche 2024 um 6% zugelegt. Für das reguläre Bus- und U-Bahnsystem liegen noch keine Statistiken vor. Doch die anekdotische Evidenz zeigt, dass das Durchkommen in der Unterführung zwischen Times Square und Port Authority Bus Terminal derzeit schwerer ist denn je.

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